Film-Poesie:Katastrophe und Euphorie

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Eine Botschafterin der Hoffnung - Penélope Cruz. (Foto: MFA+)

Brustkrebs, Schwangerschaft, Fußball-WM. Julio Medems "Ma Ma" ist ein Film großer Emotionen.

Von Rainer Gansera

Der Fußball ist präsent auch im Kino von Julio Medem. Sein neuer Film "Ma Ma" spielt im Spanien des Jahres 2012, bei der damaligen Fußball-Europameisterschaft besiegte Spanien im Endspiel Italien! Die Begeisterung der Spanier über den Sieg baut Medem in seine Geschichte ein, konfrontiert sie mit TV-Berichten über die ökonomische Krise des Landes. Eine kleine Nebenhandlung nur, aber in ihr spiegelt sich doch das zentrale Thema: die Dialektik von Depression und Euphorie, von Katastrophe und Hoffnung.

"Ma Ma" erzählt die Geschichte einer Frau, die an Brustkrebs erkrankt, aber auf das todbringende Mammakarzinom damit antwortet, dass sie das Leben noch einmal innig umarmt. Eine Leidensgeschichte, die sich in eine Hommage an das Leben verwandelt und mit dem üblichen Diagnose-Krebs-Problemfilm nichts gemein hat. Der spanische Regie-Visionär lässt die Bilder traumwandlerisch kreiseln und entfaltet die Erzählung in dem für ihn typischen Mix aus Melodram und magischer Poesie.

Penélope Cruz, Mitproduzentin des Films, steht im Zentrum: schön, strahlend, souverän. Botschafterin der Hoffnung im Angesicht der Katastrophe. Wir kennen sie vor allem als Lieblingsaktrice von Pedro Almodóvar, und in einigen bizarren Momenten der Story (etwa dem Besuch in einem Edel-Swingerclub) verleiht sie ihr auch Almodóvar-Touch. Sie spielt Magda, Mutter eines zehnjährigen, fußballbegeisterten Jungen, die zu Beginn, wenn die Schicksalsschläge mächtig niedergehen, dreifach getroffen wird: Sie verliert ihren Job als Lehrerin, wird vom Ehemann verlassen, erfährt in der Klinik den Brustkrebs-Befund.

Medem konzentriert sich zuerst darauf, wie der erkrankte Körper einer Odyssee medizinischer Verfahren ausgeliefert wird. Die weißen Labors, Krankenzimmer und Korridore der Klinik sehen aus wie hyperkaltes Science-Fiction-Ambiente. Dann aber wird der Körper zurückgeholt in den Raum von Eros und Attraktion. Magda wird einer neuen Liebe begegnen und wird sogar, genau dann, wenn der Arzt ihren Krebs als "nicht mehr operabel" diagnostiziert, glücklich feststellen, dass sie schwanger ist. "Die Idee eines keimenden Lebens in einem todgeweihten Körper" war Medems Ausgangsidee, entstanden aus einer Begegnung mit Thomas Schüttes Bronzeplastik "Bronze Frau Nr. 6".

Alle Filme von Julio Medem sind Oden an die Frau, feiern das Mysterium der Weiblichkeit. So inthronisiert er auch seine "Ma Ma"-Heldin. Wenn Magdas Haut am Strand mit Wasser benetzt wird, dann ist das eine schlichte, zärtliche Geste, die sich zugleich mit der Symbolik von Taufe und Wiederbelebung auflädt. Eine Sterbenskranke, die in alle Dimensionen des Frau-Seins zurückgeholt wird: als Geliebte, Ehefrau, Mutter, und die Männer um sie müssen sich ihr würdig erweisen: als Liebhaber, Ehemänner, Väter.

Ma Ma, Spanien/Frankreich 2015 - Regie, Buch: Julio Medem. Kamera: Kiko de la Rica. Musik: Alberto Iglesias. Mit: Penélope Cruz, Luis Tosar, Asier Etxeandia, Teo Planell. MFA+, 111 Minuten.

© SZ vom 30.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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