Film: "Lord of War":Im Gewehrlauf der Zeit

Nicolas Cage in Höchstform: Andrew Niccols bitterböses Waffenschieber-Lehrstück "Lord of War" bietet Schauspieler an ihrer Leistungsgrenze.

Rainer Gansera

Kein anderer Hollywoodstar kann diabolisch funkelnde Charaktere derart facettenreich aufscheinen lassen. Genau der richtige Mann für diese fulminante Politsatire, die sich als rabenschwarze Komödie, Lehrstück und listenreiche Versuchsanordnung präsentiert. Cage spielt einen Waffenhändler, der sich zum Topseller der Branche hocharbeitet und devisenbringend nach der Devise handelt: "Ich verkaufe Waffen an alle Armeen der Welt, abgesehen von der Heilsarmee".

Nicolas Cage

Meister der bösen Gestalten: Nicolas Cage.

(Foto: Foto: dpa)

Er heißt Yuri Orlov, Immigrant aus der Ukraine, aufgewachsen im New Yorker Stadtviertel Little Odessa, wo die Russenmafia alles kontrolliert. Eines Tages wird ihm klar, dass die Menschheit von zwei Grundbedürfnissen getrieben wird: Essen und Töten.

Da sein jüngerer Bruder Vitali (Jared Leto) im Restaurant arbeitet, verlegt er sich auf das mächtig expandierende Geschäft mit dem Tod. Gleich in der ersten Szene steht er, businessmäßig ausstaffiert mit Anzug, Krawatte und Aktenkoffer, auf einem mit Patronenhülsen übersäten Kriegsschauplatz und erläutert seine Geschäftsidee: "Weltweit kursieren etwa 550 Millionen Schusswaffen. Jeder zwölfte Erdenbewohner verfügt also über eine. Bleibt die Frage, wie man die restlichen elf, die leer ausgehen, beliefern kann!"

Ökonomisch richtig gedacht, und die tödlichen Konsequenzen dieses Denkens werden sofort, in einer atemberaubenden Montage zugespitzt, vorgeführt. Die Kamera begleitet eine einzelne Patrone: von der Fertigung an einem russischen Fließband, über Verpackung und Verschiffung, bis sie irgendwo in Afrika in eine Kalaschnikow eingelegt wird und ihr Ziel im Kopf eines Kindersoldaten findet.

So schlägt Regisseur Andrew Niccol (geboren in Neuseeland, berühmt geworden mit seiner beklemmenden Scifi-Vision "Gattaca", 1997) einen bitterbösen Satire-Ton an, in dem eiskalter Zynismus, fiebriger Thrill, und erschreckend treffsichere Pointen waghalsig gemischt und konsequent durchgehalten werden. Waffenhandel gehört zu Dingen, von denen man wohl weiß, die man aber lieber verdrängen möchte. Niccols augenöffnender Trick besteht darin, aus der Perspektive des Händlers zu erzählen, der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion - als riesige Waffenarsenale auf dem Schwarzmarkt landen - seine Karriere in schwindelnde Höhen treiben kann.

Yuri erscheint als smarter, pfiffiger Erfolgsmensch, der uns mit perfider Logik aufs moralische Glatteis lockt: "Wenn ich's nicht mache, macht es ein anderer." Oder: "Meine Waren töten weniger Leute als Alkohol und Tabak!" Wenn in Asien Friedensverhandlungen geschäftsschädigend zu gelingen drohen, räsoniert er: "Da gehe ich lieber nach Bosnien. Wenn die Leute dort sagen, dass sie Krieg führen wollen, halten sie auch ihr Wort!"

Nicolas Cage zeichnet diesen Yuri als flirrend bunte Mephisto-Gestalt: ein Verführer, eine Schlange, einer, der unsere Moral und Intelligenz testet. Cage spielt mit unserem Wunsch, sich mit einem gewitzten Siegertypen identifizieren zu wollen, und lässt lächelnd unsere gutmenschlichen Illusionen zerplatzen.

Es kommt der Augenblick, wo Yuri ins Wanken gerät. Da macht ihm ein durchgeknallter afrikanischer Diktator die Hölle heiß: konfrontiert ihn hautnah mit den Massakern, die er mit seinen Waffen ermöglicht, zwingt ihn, eine Pistole in die Hand zu nehmen und sich mit Blut zu besudeln. Da treibt ihn ein braver Interpol-Agent (Ethan Hawke) in die Enge, nötigt seine mit Bomben, Minen und MGs angefüllte Transportmaschine zur Notlandung in der Steppe Sierra Leones. Sogleich wird Yuri von der Versuchung heimgesucht, ein treu sorgender Familienvater zu werden, sich nur noch der bildhübschen Ehefrau, dem liebenswerten Kind und dem luxuriösen Manhattan-Apartment zu widmen.

Aber die moralische Läuterung bleibt ihm erspart, der Film schickt ihn unter Regierungsschutz in neue "Krisengebiete". In seiner preisgekrönten Dokumentation "Darwin's Nightmare" hat der Österreicher Hubert Sauper den Horror einer Welt offenbart, in der es nur mehr um die gnadenlose Plünderung von Ressourcen geht, und der Kampf um die Plünderungsvorrechte jeden Krieg und Bürgerkrieg, jede Korruption und jedes Massaker bedenkenlos in Kauf nimmt. Im Kern erzählt "Lord of War" genau davon.

Ein Horrorfilm im teuflisch raffinierten Satire-Gewand, bei dem jedes Lachen ein Erschrecken ist. Er entlässt uns mit dem sachdienlichen Hinweis, dass die größten Waffenproduzenten und -händler dieser Erde die fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat sind.

LORD OF WAR USA 2005 Buch, Regie: Andrew Niccol Kamera: Amir Mokri Musik: Antonia Pinto Mit: Nicolas Cage, Bridget Moynahan, Jared Leto, Ethan Hawke, Ian Holm, Eamonn Walker, Sammi Rotibi. Fox, 122 Minuten.

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