Süddeutsche Zeitung

Film:Im Regen schön

Fernando Perez' Film "Die letzten Tage von Havanna" erzählt von Überlebenskünstlern in Kuba.

Von Susan Vahabzadeh

Im tropischen Sonnenschein sehen die Dinge immer ein bisschen schöner aus, als sie in Wirklichkeit sind: Als Miguel (Patricio Wood) sich einmal quer durch Havanna durchschlagen muss im strömenden Regen, wirkt die Stadt, als hätte das Licht sie vorher nur verzaubert wie Cinderellas Kutsche; und nun, im nassen Dunkel, ist nur noch ein schrumpeliger Kürbis übrig.

Es geht um einen kleinen Trupp von schrägen Typen in Fernando Pérez' Film "Die letzten Tage von Havanna". Sie scharen sich um Diego (Jorge Martínez). Diego hat es immerhin zu einer Wohnung gebracht, die irgendwie zu ihm passt: heruntergekommen, aber doch ein Zuhause, Anlaufstelle, Unterschlupf. Diego liegt im Sterben, aber er lässt sich davon nach Möglichkeit nicht die Laune verderben. Miguel und er sind schon ewig Freunde, und nun wohnt Miguel, der als Tellerwäscher arbeitet, bei Diego und versorgt ihn. Gelegentlich bringt er ihm einen Stricher mit, zur Unterhaltung. Es gibt da auch noch zwei Nachbarinnen und natürlich Diegos Nichte. Sie steht eines Tages vor der Tür und will einziehen - am liebsten für immer, wenn Diego einmal nicht mehr ist. Schon klar, warum Diego nach erstem Zögern sie dann doch aufnimmt: Sie quatscht und ist quirlig; wo sie ist, ist Trubel. Sie ist schwanger von ihrem Freund; der will allerdings möglicherweise abhauen, in die USA, wo alles besser ist als in Kuba.

Die Flucht übers Meer ist auch keine Lösung

Pérez ist einer wichtigsten Regisseure Kubas. Seine Filme laufen überall in der Welt, obwohl sie nicht das Kuba zeigen, das sich die Tourismusbehörde wünschen würde. Einer seiner größten internationalen Erfolge war 1998 sein Spielfilm "Das Leben, ein Pfeifen" - da ging es auch schon um Menschen, die in Havanna irgendwie zurechtkommen. Trotz allem.

Der sterbende Diego hat mehr Lebensfreude als Miguel, der sich in seinen Hoffnungen verschanzt hat: Seine Zukunft, davon ist Miguel überzeugt, liegt in den USA; also hat er ein Visum beantragt, um dort hinzugehen, wo - so stellt er sich das wohl vor - aus 50-jährigen Tellerwäschern noch etwas werden kann. Das klingt nach einem Sammelsurium gescheiterter Existenzen, aber diese Menschen sind auch noch im Regen schön: Trotz ist ihre Motivation; was immer auch geschieht, sie geben ihr Bestes. So erzählt Fernando Pérez eine traurige Geschichte ohne traurige Gestalten - man muss vor jedem dieser Menschen den Hut ziehen: Sie haben es schwer, aber sie sind Überlebenskünstler.

Es kommt einem derzeit so vor, als würde die Welt, von Westen her, in ihren Grundfesten erschüttert; aber manches, was da zerbirst, war immer nur eine Seifenblase. Als Fernando Pérez' Film "Die letzten Tage von Havanna" im vergangenen Jahr auf der Berlinale Premiere hatte, war die Einwanderungsdebatte in den USA noch lange nicht so hochgekocht wie in den letzten Wochen, und doch ist der Traum vom besseren Leben in Amerika hier auch schon nichts als Illusion. Einer von Pérez' Helden wird es schaffen, rüberzumachen von Kuba aus übers Meer, aber er findet nicht, wonach er sich sehnte. Es wird dort vor allem sehr, sehr kalt sein.

Últimos días en la Habana, Spanien/Kuba, 2016 - Regie: Férnando Perez. Drehbuch: Fernando Pérez, Abel Rodríguez. Kamera: Raúl Pérez Ureta. Mit: Jorge Martínez, Patricio Wood, Gabriela Ramos, Yailene Sierra, Coralia Veloz. Verleih: Kairos, 93 Min.

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SZ vom 29.01.2018
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