Film:Have a Nice Day

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(Foto: Grandfilm)

Von Philipp Bovermann

Eine neue Welt entsteht, die Baumaschinen hämmern sie wütend aus dem Erdboden heraus. Was bereits an Mauern und Stahlträgern steht, sieht schon wieder heruntergekommen aus. Liu Jian erzählt ein knallhartes Gangsterdrama als Animationsfilm, in einem der endlosen chinesischen Neubaugebiete, die ziellos ins Halbdunkel hinauszuwachsen scheinen.

Der Künstler hat den Film, der jetzt einen kleineren deutschen Kinostart bekommt, fast ganz allein gezeichnet und animiert. Daher hat er sich auf einen schlichten, spröden Stil beschränkt. Wie am Reißbrett geplant sieht diese Welt dadurch aus. Mehr Bewegung bedeutet ebenfalls mehr Arbeit, daher bewegt sich in dem Film immer nur das, was sich unbedingt bewegen muss. Es scheint sich trotzig aus einer Welt zu lösen, die gegen ihre eigene Starre ankämpft. Hauptfiguren gibt es keine, nur Nebenfiguren, aber sie alle wären gern Hauptfiguren, wollen nicht mehr nur Teil der Kulisse vor den schmuddeligen Internetcafés und Nudelsuppenküchen sein, sondern irgendwohin kommen, nach England oder Amerika - oder ein einfaches Leben auf dem Land: traktorfahrend, mit der Henne im Arm, vor einem Regenbogen. Deshalb jagen sie alle einer Tasche voll Scheinen hinterher, die einem Gangsterboss gestohlen wurde. Ein Killer namens "Bohnenstange" ist ihnen auf den Fersen und schlürft durch einen Strohhalm, als wäre er frisch "Pulp Fiction" entlaufen.

Die chinesischen Behörden waren davon wenig geschmeichelt. Das ist auch der Grund, warum Liu Jian fast alles allein machen musste. An eine Filmförderung, von der er zusätzliche Animatoren hätte bezahlen können, war nicht zu denken. Das renommierte Animationsfestival in Annecy lehnte den Film auf Druck der chinesischen Behörden anschließend ab, erst auf der Berlinale fand er 2017 eine Heimat und wurde dort hoch gelobt. Absolut zu Recht, denn "Have a Nice Day" hat trotz der ständigen Bedrohung, zum Stillleben zu erfrieren, einen ungeheuren Drive und einen wunderbar dunklen Humor. In seinen von Neonlicht bestrahlten Landschaften kommt schließlich eben doch alles zur Ruhe. Ob es will oder nicht.

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