Film: "Handbuch der Liebe":Die Freunde der Explosionsmotoren

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Aber ist die Liebe denn ein Mechanismus? Giovanni Veronesis "Handbuch der Liebe".

In seinem Essay "Züge der Liebe" beschreibt José Ortega y Gasset, wie er die Salons mondäner Damen durchstreift. Sein Blick wandert über die Bildergalerien an den Wänden. Er beklagt die Beliebigkeit der Gemälde: "Es fehlt das erregende Gefühl, auf etwas Notwendiges gestoßen zu sein."

Und dann stellt er verwundert fest, dass in jedem Bücherregal ein Exemplar von Stendhals Abhandlung "Über die Liebe" zu finden ist: "Die Gräfin, die Schauspielerin, die Dame von Welt, alle haben sie den unvermeidlichen Ehrgeiz, Kennerinnen der Liebe zu sein, und wollen sich hier unterrichten; wie einer, der ein Automobil kauft, zur Ergänzung ein Handbuch über Explosionsmotoren erwirbt."

Heute, fast ein Jahrhundert später, im Zeitalter der Soaps und Telenovelas, stapeln sich Handbücher zu allen Liebes- und Lebensfragen in den Ratgeber-Ecken. Die Problemlage aber hat sich nicht verändert: die Liebe ist kein Mechanismus, der sich studieren ließe wie das Funktionieren eines Explosionsmotors. Sie ist ein Chaos, ein Geschlechterkrieg, ein unentwirrbarer Mix aus Tragik und Komik.

Für die Liebe gibt es keine Gebrauchsanweisung. Der versierte italienische Komödienregisseur Giovanni Veronesi macht das zum ironischen Ausgangspunkt seines "Manuale d'amore", wo er in vier locker verknüpften Episoden Ur-Szenen der Liebe auffächert, vom jugendlichen Verliebtsein bis zu den bittersten Liebesenttäuschungen. Wer bei Liebe an große Magie denkt, an Shakespeare-Dialoge oder Schmetterlinge-im-Bauch-Gefühle, sei gewarnt. Für Veronesi ist die Liebe ein verwirrtes Außersichsein, eine Falle, Anlass für Ironie-Theater und sarkastischen Witz.

Kein Liebesrausch, eher ein komisches Fertigwerdenwollen mit Ernüchterungen. Wenn bei ihm ein Verzweifelter tatsächlich einmal in einem Liebes-Manual Rat sucht, kann man sicher sein, dass er sich noch tiefer in den Fallstricken der Lächerlichkeit verfangen wird.

Der Liebende: eine lächerliche Figur. In der ersten Episode wird das verblüffend als Phänomenologie der Hartnäckigkeit durchgespielt. Der 23-jährige Tommaso (Silvio Muccino) gondelt mit seinem Roller durch Rom und klagt über seine Pechsträhne: kein Job, keine Freundin, dazu noch eine schwarze Katze, die seinen Weg kreuzt. Wie zum Trotz verliebt er sich in die hübsche Giulia (Jasmine Trinca), die ihn kalt abblitzen lässt. Beinahe gnadenlos zeigt Veronesi, wie Tommaso mit seinen unermüdlichen Annäherungsversuchen zur Nervensäge wird. Man schwankt zwischen Abneigung und Bewunderung für einen Helden, der sich selbst für bemitleidenswert hält, tatsächlich aber zu einem - wie Roland Barthes es formuliert hat - "Monster der Aufdringlichkeit mutiert".

Falsch geparkt

Die zweite Episode ist Traurigkeit und bitterster Sarkasmus. Ein kinderloses Paar mittleren Alters (Sergio Rubini und Margherita Buy) hat sich derart auseinandergelebt, dass jede Geste als Affront erscheint. Waghalsig, wie Veronesis Pointensuche auch dieser Konstellation, in der die Liebe ferne Erinnerung und das Wiederzueinanderfinden vage Hoffnung bleibt, noch komische Momente abringt.

Die Episoden drei und vier tummeln sich im Mainstream italienischer Beziehungskomödien. Da rächt sich eine betrogene Ehefrau nicht nur an ihrem Gatten, sondern attackiert die Männerwelt insgesamt, indem sie - sie ist Streifenpolizistin - alle männlichen Verkehrsteilnehmer mit Strafzetteln überhäuft. Da badet ein verlassener Ehemann in Selbstmitleid, stolpert durch allerlei kuriose Affären - bis er von einem kleinen Mädchen an der Hand genommen wird, und von deren Mutter einen starken Espresso serviert bekommt.

Hier ergeht sich der Film in altbekanntem Beziehungs-Klamauk: Wenn der Liebhaber vor dem zu früh zurückkehrenden Piloten-Ehemann unters Bett flüchten muss und die Nacht dann auf dem Fenstersims verbringt. Naturgemäß nur mit lachhaften Unterhosen bekleidet. Immerhin gewinnen beide Episoden durch die Darsteller, Luciana Littizzetto und Carlo Verdone, erfreuliches Tempo und Elan.

Insgesamt ist spürbar, dass Veronesis Regie den Drehbuch-Klischees mit darstellerischen Intensitäten entgegen arbeitet. So schenkt er den Figuren immer wieder eine anrührende Tiefe der Empfindungen, vor allem in Momenten der Einsamkeit und Hilflosigkeit. Die Bilder, die er mit einer schwebenden Kamera einfängt, haben Atmosphäre, sind einfallsreicher und klüger als es die Story-Vorlage vorsieht, und halten - bei aller komödiantischen Sabotage von Liebes-Romantizismen - der Liebes-Sehnsucht die Treue.

MANUALE D'AMORE I 2005 Regie: Giovanni Veronesi Buch: Ugo Chiti, Giovanni Veronesi Kamera: Tani Canevari Schnitt: Claudio di Mauro Musik: Paolo Buonvino Mit: Carlo Verdone, Silvio Muccino, Luciana Littizzetto, Sergio Rubini, Margherita Buy, Jasmine Trinca, Sabrina Impacciatore, Luis Motteni. Constantin, 116 Minuten.

© SZ vom 13.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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