Film:Guter Rat vom Meister der Serien

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Die Hochschule für Fernsehen und Film bietet erstmals eine "Summer School". Die Resonanz ist groß

Von Andreas Eberhard, München

Nicht irgendeine Steinmauer sollte es sein. Die Kulisse beim Dreh der Fernsehserie "John Adams" über den gleichnamigen zweiten US-Präsidenten sollte dem jahrhundertealten Gemäuer am Originalschauplatz in Virginia bis aufs Haar gleichen. So wollte es Executive Producer Frank Doelger. "Aber - leider habe ich diese Schlacht verloren", gesteht er. Der Sender HBO sagte nein. Zu teuer.

Wenn auch nicht historisch akkurat - authentisch ist das Stadttor in "Game of Thrones" auf jeden Fall. Darauf kommt es an, sagt Produzent Frank Doelger. (Foto: HBO)

Das war 2008. Drei Jahre später produzierte Doelger mit der Mittelalter-Fantasy-Saga "Game of Thrones" einen der größten internationalen Serienerfolge. Durchaus wahrscheinlich, dass er heute seinen Wunsch erfüllt bekäme. Interessiert lauschen ihm also die Teilnehmer des Serien-Workshops in den blauen Plüschsesseln des Kino-Hörsaals der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF).

Die knapp 30 Teilnehmer der ersten HFF-Sommerakademie, die aus so verschiedenen Ländern wie Kroatien, Australien, Brasilien und Griechenland stammen, widmen sich vier Wochen lang ganz dem Thema Serien - einem Thema, "das einfach in der Luft lag", wie Elena Diesbach sagt, die die Veranstaltung organisiert hat. Unter fachkundiger Anleitung namhafter Dozenten - Autoren, Produzenten und Regisseuren - arbeiten sie an eigenen Serienkonzepten. Am Ende des Workshops steht ein "Pitch" an, also die Möglichkeit, die eigene Idee vor Vertretern der Fernsehbranche oder von Streaming-Plattformen zu präsentieren. Hier zeigt sich, ob die ausgearbeiteten Projekte marktreif sind.

Doelger hilft den Teilnehmern dabei so gut er kann. Der Spezialist für historische Stoffe, der auch die Serie "Rome" produziert hat, erzählt die Episode von der Steinmauer, um zu zeigen, wie wichtig die Aura des Originals ist. Im Zweifel aber gelte, das macht er auch deutlich: "Noch wichtiger, als bis ins letzte Detail akkurat den historischen Tatsachen zu folgen, ist, dass das Gezeigte glaubwürdig - eben authentisch - wirkt." Eine Serie müsse eine eigene, in sich stimmige Welt zeigen. Und die sei mitunter glaubwürdiger, wenn man in begründeten Ausnahmen auf historische Akkuratesse verzichte, erklärt Doelger, dessen Aufgabe als Executive Producer mit dem deutschen "Produzent" unzureichend übersetzt ist. Tatsächlich hat er viele Aufgaben, die bei Spielfilm-Drehs normalerweise Regisseure übernehmen. Er ist der Gralshüter der "Vision" einer Serie.

US-Fernsehproduzent Frank Doelger lehrt als Gastdozent an der Summer School der HFF. Er ist für internationale Erfolgsserien wie "Game of Thrones" und "Rome" verantwortlich. (Foto: HFF)

Die Frage, wie Serien-Welten beschaffen sein müssen, um ein Publikum in den Bann zu ziehen, beschäftigt auch die Teilnehmer. Der Brasilianer Alvaro Campos, 38 Jahre alt, schreibt seit 10 Jahren Drehbücher für einen Kabelfernsehsender. Sein großes Ziel: Serien zu schaffen, die nicht nur beim heimischen Publikum ankommen, sondern auch auf dem europäischen Markt. Deshalb interessiert ihn in München vor allem der Austausch mit Europa. Mit den deutschen Kursteilnehmern zusammen an einer Serienidee zu arbeiten, gibt ihm Gelegenheit, die hiesigen Sehgewohnheiten zu studieren - was durchaus für Überraschungen sorgt: "Ich hätte nie gedacht, dass die Deutschen so ein Faible für dunkle Stoffe und für Fantasy haben."

Wie exportfähig die Serien sind, dies sei die Frage der Zukunft, meint Campos. Welches Thema könnte er sich als Thema einer deutsch-brasilianischen Koproduktion vorstellen? "Wie wäre es mit Fußball? Das wäre doch etwas, das unsere beiden Länder verbindet", schlägt er vor und grinst.

Auch wenn international erfolgreiche Serien beileibe nichts Neues sind: Dass bereits bei der Produktion klar international gedacht wird, ist ein Phänomen unserer Tage. Auch Frank Doelger, der gerade eine neue Firma für eben solche Produktionen für den weltweiten Markt mit Sitz in Berlin gegründet hat, trägt dem Rechnung. Doelger hält nichts davon, beim Erfinden von Serien zu stark darauf zu schielen, was einen bestimmten Markt interessieren könnte. "Ich habe mich bei allem, was ich gemacht habe, auf mein eigenes Urteil verlassen, was das beste für ein Projekt ist. Nur wenn du selbst das Gefühl hat, es stimmt alles, werden auch die Zuschauer dir folgen."

Zur bestmöglichen Serie, zum bestmöglichen Drehbuch braucht es freilich mehr als Genialität und individuelles Urteil. "Es ist jede Menge Handwerk vonnöten, und das lernen wir hier", berichtet Summer-School-Teilnehmer Arnaud Talaia (39), der als freier Film- und Fernsehautor in Berlin arbeitet. Die Arbeit in Gruppen, sogenannten "writer's rooms" sei fruchtbar, weil zwischen den Teilnehmern so viel "Reibung" durch die Vielzahl an Perspektiven entstehe. Indem man Streitigkeiten und Konflikte, die man in der Gruppe habe, ins Skript einfließen lasse, könne man daraus für die Serie Kapital schlagen und finde sich so letztlich selbst in den Szenen wieder. "Das ist mal ein Aspekt, bei dem die deutsche Liebe zum Konsens ausnahmsweise nicht so hilfreich ist", bemerkt Arnaud augenzwinkernd.

Als freier Drehbuchautor mit eigenen Produktionen Geld zu verdienen, sei ein hartes Brot, erklärt Talaia. Autoren wie er müssten nicht selten monatelang schreibend in Vorleistung gehen, bevor ein Sender oder eine Produktionsfirma anbeiße. Deshalb seien Kontakte zu den Geldgebern so wichtig. "Der Pitch interessiert mich daher fast am meisten. So leicht wie hier, während der Summer School kommt man sonst nie an diese einflussreichen Leute ran."

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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