Film: "Du hast gesagt, dass Du mich liebst":Der Zauber von Hannelore Elsner

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"Das Sichtbare, das ist das quirlige, hektische Leben", schrieb Regisseur Rudolf Thome einmal. In seinem neuen Film stellt er diese Behauptung auf den Prüfstand.

Fritz Göttler

Im Schwimmbad scheint die Frau in ihrem Element. Allein zieht sie ihre Bahnen, von keinen äußeren und inneren Impulsen irritiert. Sie hat Zeit, und man sieht ihr nicht an, aus der Ferne, ob sie gelassen und ausgeglichen ist oder in einem Zustand der Erregung. Die Verstrebungen der riesigen Glasfassade hinten, die sich gespiegelt im Wasserbecken fortsetzen, skandieren die fließenden Bewegungen der Schwimmerin.

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Der Beckenrand wird von den von der Schwimmerin aufgewühlten Wellen überspült, so dass die Elemente ineinander übergehen wie am Meeresstrand, Land, das sich ins Wasser schiebt, Wasser, das ins Land strömt.

Johanna Perl war Sportlerin in ihrer Jugend, siebenmal deutsche Meisterin im Brustschwimmen, das erklärt sie uns jedenfalls gleich zu Beginn, wenn sie anfängt ihre Geschichte zu erzählen. Dem zierlichen Körper von Hannelore Elsner, die Johanna spielt, sieht man diese Supersportvergangenheit nicht an - aber man kennt solche erzählerische Frivolität ja aus den meisten anderen Thomefilmen. Seine Akteure probieren gern fremde Existenzen an wie Kinder, die aus dem Schrank der Großen deren Kleider rauszerren und sich überstreifen.

Der psychologischen und dramaturgischen Geschlossenheit, die der Filmbetrieb fordert, hat Rudolf Thome in seinen Filmen das freie Spiel der Formen entgegengesetzt - so hat er es bei der Nouvelle Vague gelernt, in den Sechzigern. Die traditionellen Rollen hat Johanna seit einiger Zeit abgelegt, ihren Mann hat sie verlassen - "Du hast gesagt, dass du mich liebst ... und dann hast du mich doch betrogen!" -, der Tochter ist sie mehr Freundin als Mutter. Die ganze Stadt spricht nun von Liebe, ist gleichsam eine einzige Reklametafel für die Zweisamkeit. Ein alter Mann spricht Johanna auf dem Friedhof an, mit dem vertrauten Thome-Satz: "Hätten Sie Lust, mit mir einen Kaffee zu trinken?"

Johanna liest eine Kontaktanzeige in der Zeitung, ein Mann sucht eine Gefährtin, die Heilige und Hure ist. Ja, sagt Johanna da, ficken würde mir gut tun. Manchmal sucht sie Trost bei der Natur, bei den alten Bäumen im Wald oder bei den Psalmen, die von der Kürze des Lebens künden, "und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon".

Die Liebe hat etwas wunderbar Pragmatisches in diesem Film, bei Johanna und ihrem Johannes, dem Mann aus der Anzeige - Johannes Herrschmann, der 1988 der "Philosoph" war in Thomes gleichnamigem Film. Wie immer bei Thome gelangt man zur Natürlichkeit nur übers Ritual.

Mit rührender Schüchternheit und anmutiger Umständlichkeit wird umarmt und geküsst, in tastenden Worten bringt man seine Befindlichkeit, seine Freude und sein Entzücken zum Ausdruck, sie verwandelt ihr Schlafzimmer mit Dutzenden von Lichtern in ein Hochzeitsgemach, er reißt sich auf ihr Geheiß brav die Kleider vom Leib und kriecht zu ihr ins Bett. Dort nimmt sie ihm endlich den Hut vom Kopf. Man hat den Eindruck, das ist der Beginn einer großen Freundschaft. Einer Liebe auch, und einer Karriere - Johannes ist Schriftsteller, und der Roman, den er danach beginnt, wird ein Erfolg.

Noch immer geht von den Filmen von Rudolf Thome ein unerklärlicher Zauber aus, eine glasklare, gar nicht heimelige Märchenhaftigkeit, die schon mit dem ersten Bild einsetzt, einem Schwenk über die Dächer von Berlin, mit kleinen Kaminen, aus denen kleine Rauchfahnen dringen. Meine Filme sind eine black box, hat Rudolf Thome erklärt - das sind die Systeme, wo man vorn etwas eingibt und hinten kommt bearbeitet und verwandelt etwas anderes raus. Was im Innern passiert, wie das alles funktioniert, weiß kein Mensch, denn der schwarze Kasten ist und bleibt unergründlich.

In der Thome-Box sind die Inputs die Überlegungen eines Mannes, der seit den Sechzigern Filme dreht, erst in München, dann in Berlin, und der sich vor vielen Jahren aus der Stadt in die Ebenen davor verzogen hat, in ein Haus auf dem Lande, wo er übers Internet uns teilhaben lässt an der Entstehung seiner Geschichten und an seinem Verlangen, neue Filme zu fabrizieren.

Der Output sind Filme, die merkwürdig zeitlos wirken und dann, beim zweiten Hinsehen, sehr schöne und sehr genaue Diagramme unserer Gesellschaft sind. "Das Sichtbare und das Unsichtbare" soll sein neuer Film heißen, den er diesen Sommer drehen will: "Das Sichtbare", schrieb er dazu, "das ist das quirlige, hektische Leben. Das Unsichtbare ist der Tod, der hinter allem Leben steht."

DU HAST GESAGT, DASS DU MICH LIEBST D 2005 Regie, Buch: Rudolf Thome Kamera: Ute Freund Ton: Christian Wersuhn Schnitt: Dörte Völz-Mammarella Mit: Hannelore Elsner, Johannes Herrschmann, Anna de Carlo, Bastian Trost, Urs Remond, Michael Gerber Prometheus, 117 Minuten.

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