Film "Die Chroniken von Narnia":Und erlöse uns durch den Löwen!

Very delightful - und auch very christlich! "Der König von Narnia", der erste Film nach dem Romanzyklus von C.S. Lewis. Disney mixt dabei Fantasyfilm und Weihnachtsgeschichte.

Fritz Göttler

Am Anfang geht es zu wie bei Harry Potter, ein Bahnsteig voller Kinder, ein heftiges Gedrängel, mütterlicher Abschied in vielfacher Form, das Pfeifen der Lokomotive - nur der Anlass ist ein anderer, kein Aufbruch ins Zauber-Internat, sondern Kinder-Verschickung aufs Land, in den ersten Tagen des Londoner Blitz, der Angriffsflüge der Nazis gegen die feindliche Hauptstadt. Mitten unter ihnen: die vier Geschwister Peter und Edmund, Susan und Lucy. Es endet zwei Stunden später wie beim Herrn der Ringe, mit einer Mega-Entscheidungsschlacht, in der auf beiden Seiten, für die Heerscharen des Guten wie die des Bösen, alles mobilisiert wird, was sausen, hüpfen, fliegen, hacken und dreschen kann: Menschen-, Halbmenschen- und Tiermaterial.

Die Chroniken von Narnia

Stärkste Figur im Film: Tilda Swinton als weiße Hexe.

(Foto: Foto: AP)

Der Krieg ist omnipräsent in diesem Film, dem ersten der "Chroniken von Narnia", der im Original "The Lion, the Witch and the Wardrobe" heißt, in der deutschen Fassung schlicht "Der König von Narnia". Noch vor der Bahnhofsszene hatte es Bilder aus einem deutschen Bomber gegeben - eine ungewöhnliche Perspektive, fast schon ein Akt von filmischer Fraternisierung. Der Film macht deutlich, was ein Krieg für die Kämpfenden bedeutet, wie er die jungen Männer deformiert, die sich für ihn begeistern.

Sieben Romane hat der Oxford-Professor C.S. Lewis in den Fünfzigern geschrieben, eine weitverzweigte Studie der Beziehungen von Eskapismus und Engagement, von Friedenssehnsucht und Kampfbereitschaft - sehr viel lockerer als die Mittelerde-Saga seines Kollegen Tolkien. Auf dem Land werden die vier Geschwister im Haus eines Professors untergebracht, der offensichtlich vor allem seine Ruhe vor ihnen haben will und auf Unnahbarkeit pocht. Beim Spielen gerät Lucy vor einen hohen Wandschrank, das Laken, mit dem er bedeckt ist, fällt und das Narnia-Theater beginnt, erst für sie allein, dann sukzessive auch für die Geschwister. Der Schrank erweist sich als Portal, das in einen dichten Wald führt, ins Land Narnia, eine schneebestäubte Idylle - die Weiße Hexe hat es fest im Griff, immer Winter, nie Weihnachten. Man sehnt sich nach Frühling, nach Erlösung, durchaus im christlichen Sinne, und den vier Adamssöhnen und Evastöchtern sind wichtige Rollen dabei zugeschrieben.

Liberalismus pfui

Walden Media heißt die Produktionsfirma, die gemeinsam mit Disney die "Narnia"-Produktion gestemmt hat - der Bezug auf Thoreaus großes Werk der Selbstfindung in der Natur ist signifikant. Walden Media wird zum großen Teil kontrolliert vom Milliardär Philip Anschutz, der, ein Republikaner und ein Presbyterianer, seine Aufgabe darin sieht, den kapitalistischen Sündenpfuhl Hollywood zu säubern, in dem Liberalismus und Libertinage herrschen, und ein neues, sauberes Familienkino zu schaffen. Mit "Narnia" will er den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, das knallharte hohle Spektakelkino schlagen mit einem wertehaltigen Kinospektakel. Bei Disney hat man nicht ganz so hehre Ambitionen, da wäre man froh, wenn "Narnia" einen ähnlichen Franchise-Erfolg bescheren würde wie den anderen Studios Potter und der Herr der Ringe - und das möglichst sieben fette Jahre lang.

Durch eine perfekte PR-Strategie hat man seit vielen Wochen das christliche Publikum mobilisiert, hat in Schulen und Kirchen geworben - Gouverneur Jeb Bush, der Bruder des Präsidenten, will, dass jedes Kind in seinem Bundesstaat Florida "Narnia" liest. Eine saubere Synergie von Politik, Religion und Product Placement hat Polly Toynbee im Guardian das genannt. "Narnia" soll die Kinder aufweichen, sensibel machen für die Religion - auf dass sie, so C.S Lewis, "leichter das Christentum akzeptieren, wenn sie ihm später im Leben begegnen". So hat "Narnia" keine konkrete Botschaft, keine Heilsformel, nur ein intensives Gefühl der Erwartung, das auf den feurigen Erlöser, den Löwen Aslan sich konzentriert. Sein Name schon klingt verheißungsvoll, wenn die vier ihn im heimeligen Haus eines rührigen Biberpaars erstmals vernehmen: "Keines der Kinder wusste, wer Aslan war, genauso wenig wie du; doch kaum hatte der Biber diese Worte ausgesprochen, überkam jedes von ihnen ein ganz neues Gefühl. Vielleicht hast du es im Traum schon einmal erlebt, dass jemand etwas zu dir sagt, was du nicht verstehst, doch im Traum hast du das Gefühl, als wäre es von ungeheurer Bedeutung ..."

Der Löwe muss sich opfern

Den Frieden bekommt man nicht geschenkt, sagt der Film, für einen Frieden in der Welt muss man unerbittlich streiten. Aslan ist das kämpferische Christentum, der Erlöser mit dem Schwert, auf den sich das fundamentalistische Amerika heute beruft. Im Film tritt er in Erscheinung als ein computergenerierter König der Könige, dem in der Originalfassung Liam Neeson die Stimme leiht - der einst der Menschenretter Schindler auf der Leinwand war, aber auch der Sexforscher Kinsey. Auch dieser Erlöser kennt freilich lammfromme Momente, er kommt um das Selbstopfer, die Passion Aslans nicht herum. In einer Ölberg-Sequenz, die zwischen echter Emotion und surrealer Absurdität oszilliert, begleiten die beiden Evastöchter den Löwen zur Opferbank.

Die stärkste Figur ist, wie meistens im Kino, auch in "Narnia" nicht auf der Seite der Guten zu finden. Tilda Swinton ist als Weiße Hexe, als glamouröse Patrona Narniae einfach unwiderstehlich - ein Traum von unergründlicher Eisigkeit, mit Augen, die halbgeschlossen sind und lauernd, um schließlich jene einzufangen und für immer zu fixieren, auf die ihr Blick fällt. Sie ist das Kino selbst, die große Verführungskraft, der man sich willenlos ausliefert, vor der alle Sicherheiten von Logik und Vernunft versagen. Es ist die stärkste Szene im Film, wenn sie den jungen Edmund in ihren Schlitten holt, der so bleich ist und so hungrig nach Turkish Delight, das im Englischen noch ganz andere Gelüste anklingen lässt als die pappige deutsche Entsprechung des Türkischen Honigs. Es bleibt dabei, das ist Tildas Botschaft, das Kino ist ein Sündenpfuhl.

THE CHRONICLES OF NARNIA: THE LION, THE WITCH AND THE WARDROBE USA 2005 Regie: Andrew Adamson. Buch: Ann Peacock, A. Adamson, Christopher Markus, Stephen McFeely. Nach dem Buch v. C.S. Lewis. Kamera: Donald McAlpine. Schnitt: Sim Evan-Jones, Jim May. Art Direction: Jules Cook, Ian Gracie, Karen Murphy, Jeffrey Thorp. Mit: Georgie Henley, Skandar Keynes, William Moseley, Anna Popplewell, Tilda Swinton, James McAvoy, Jim Broadbent. Buena Vista, 138 Minuten.

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