Süddeutsche Zeitung

Film:"After Sabeen"

Von Sonja Zekri

Am erstaunlichsten ist die Freude, dieses dezidiert Nicht-Verbitterte. Wenn Mahenaz den Baum gießt an jener Stelle, wo ihre Tochter Sabeen im Auto erschossen wurde; wenn sie erwägt, was noch Schlimmeres hätte passieren können: Sabeen hätte entführt und gefoltert werden können, Wochen quälender Unsicherheit: "Was hätten wir gelitten." Dann wirkt sie dankbar, ja, glücklich. Es dürfte nicht viele Mütter geben, die dem Mord an ihrer Tochter etwas Positives abgewinnen können. Mahenaz kann es, aber sie ist auch eine mindestens so ungewöhnliche Frau wie ihre Tochter Sabeen. Die iranischstämmige Filmemacherin Schokofeh Kamiz hat einen Film über die pakistanische Menschenrechtlerin Sabeen Mahmud gedreht: "After Sabeen" zeigt ihr Werk, ihr Künstler-Café T2F, wo sie Menschen zusammenbrachte, die sich nie begegnet wären, ein offener Raum in einer Gesellschaft, in der der einzige Austausch zwischen den sozialen Klassen über den Sklavenhalter geschieht, wie es der Schriftsteller Mohammed Hanif böse formuliert. Man ahnt eine überwältigende Persönlichkeit, Sabeens Klarheit, ihre Furchtlosigkeit. Sie wusste, was sie riskierte, als sie eine Veranstaltung über Menschenrechtsverletzungen in der pakistanischen Provinz Belutschistan machte - und tat es doch. Aber am Ende kann man nicht anders, als sich vor ihrer Mutter Mahenaz (Foto) zu verneigen - im Film, und bei der Vorführung in München, zu der sie aus Karatschi angereist war, auch in Wirklichkeit. Sie schenkte ihrer Tochter eine Freiheit, wie sie Frauen in Pakistan selten genießen, und wenn sie festhält, dass eben diese Freiheit Sabeen das Leben kostete, dann schwingt kein Bedauern mit: Sie würde alles noch einmal so machen. Und doch stellt sich ein paradoxer Effekt ein. Denn wo das Motiv des Mordes vage und die Täter gesichtslos bleiben, das Gruppenporträt dieser Ausnahmemenschen aber umso eindrucksvoller wirkt, da begreift man irgendwann gar nicht mehr, wie dieselbe Gesellschaft überhaupt Fanatiker und Mörder hervorbringen kann. An diesem Sonntag zeigt das Berliner Rollberg Kino in Zusammenarbeit mit der Böll-Stiftung den Film (calendar.boell.de/de/event/after-sabeen). Mahenaz Mahmud wird da sein.

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Quelle:
SZ vom 10.08.2019
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