Fünf Favoriten der Woche:Wer ist Liv Tylers Vater?

Lesezeit: 4 min

Jeremy Irons und Liv Tyler (Foto: Koch Films)

Zwei CDs, ein Film, ein Gang durch Kairo und die atemberaubende Stadtserie des Fotografen Peter Bialobrzeski.

Von SZ-Autoren

Bertolucci, back in Italy

Das Leben und der Tod wohnen nah zusamen, Zimmer an Zimmer, in Bernardo Bertoluccis "Stealing Beauty/Gefühl und Verführung", 1996 (DVD bei Koch Films). Ein sterbenskranker Poet, Alex, und ein Mädchen aus Amerika (Lucy in the sky, nennt Alex sie), das in das Landhaus bei Siena kam, um herauszufinden, wer sie gezeugt hat, in eben diesem Haus. Jeremy Irons, mit lüstern-müder Keuschheit, und Liv Tyler, die während des Drehs ihren achtzehnten Geburtstag feierte. Ein inbrünstiger Heimat-, ein Heimkehrfilm von Bertolucci, der in den Achtzigern großes artifizielles Hollywood-Kino machte, neun Oscars für "Der letzte Kaiser", die Natur in surrealem Licht, durchsetzt mit dreisten Statuen, Klänge von Nina Simone oder Mozarts Klarinettenkonzert ziehen durch die Luft, Anarchie wirbelt auf wie einst in Jean Renoirs "Dejeuner sur l'herbe". Fritz Göttler

Peter Bialobrzeskis Stadttagebücher

Peter Bialobrzeski ist einer der großen Stadtforscher unserer Zeit. Der Hamburger Fotograf ist jahrelang durch die asiatischen Megacities gestreift und hat aus seinen Langzeitbelichtungen so kunstvolle wie üppige Bildbände kompiliert, die wie aus einer fremden Zukunft wirken. Seit einigen Jahren publiziert er nebenher Stadttagebücher. Es fing 2015 an mit dem "Cairo Diary", seither folgten Bücher über Athen, Taipeh, Budapest und zehn weitere Städte. Alle erscheinen im selben Format, 14x 21 Zentimeter, beinhalten 51 doppelseitige Fotos und einen knappen Tagebuchtext über die Woche, die er jeweils dort verbracht hat. Jetzt erscheinen gleich fünf Bände auf einmal, Linz, Belfast, Dhaka, Minsk und Yangon ( thevelvetcell.com). Das Ganze ist gedacht als fotografisches Archiv der Stadt zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Bilder aus Linz neben denen aus Dhaka, kaum zu glauben, dass man beides "Stadt" nennt, so unterschiedlich die menschenleere, provinzielle Betontristesse im wintergrauen Österreich neben der asiatischen Umwälzpumpe aus Matsch, Beton und Leben, ja der Lärm und die Gerüche scheinen einen sofort anzubranden, während man sich in den drei europäischen Bänden vorkommt wie in Museen, die seit Jahren schon nicht mehr in Betrieb sind.

Bialobrzeski schaut kaum je aus der Vogelperspektive auf die Städte, eher arbeitet er wie ein Flaneur, der verloren geht im vollgerümpelten Stadtraum und sich wundert, wie das alles nebeneinander bestehen kann. Wobei Flaneur so nach Müßiggang klingt, Bialobrzeski taucht schon ein mit Haut und Haaren: "Mein Moto-Fahrer nennt sich Runner Runner Knight Rider", schreibt er im Dhaka-Tagebuch. "Die Busse sind keine halbe Armlänge entfernt, während RRKR sich durch die Rikshas, SUVs und Limousinen schlängelt. Airbags oder Sicherheitsgurte wirken wie von einem anderen Planeten." Immer lohnt es sich, die Bücher zweimal durchzublättern. In "Belfast Diary" wirkt vieles wie doppelbelichtet, als prägte sich durch die bunten Mauern der Jetztzeit der Kriegszustand der früheren Jahrzehnte oder als lauere die Stadt hinter all den bis heute existierenden Mauern nur darauf, dass die Gewalt bald wieder ausbricht. Alex Rühle

Die Geschwister Tschalik. Unklar ist, ob sie gerade das frühe oder das späte Saint-Saëns-Quartett spielen. (Foto: Alkonost)

Ganz jung, ganz alt

Als Komponist von Streichquartetten ist der Franzose Camille Saint-Saëns kaum bekannt. Er hatte aber zum Genre eine so charmante wie weise Ansicht: "Ein Streichquartett kann man nur mit zwanzig schreiben, in der Unbedarftheit und Tollkühnheit der Jugend, oder mit sechzig, wenn man über eine ausreichende Erfahrung verfügt und einem kein Geheimnis seiner Kunst mehr fremd ist." Auf der vorzüglichen CD (Alkonost) trifft das junge Quatuor Tschalik auf die zwei Streichquartette des alten Meisters: ausgefuchste Musik, immer elegant, beredt, formbewusst. Die vier Geschwister Tschalik spielen die Stücke, eins von 1899, das andere von 1918, mit jenem geistreichen Schwung, der der Musik in ihrer typischen Leichtigkeit und kompositorischen Souveränität zusteht. Harald Eggebrecht

Naguib Mahfus hat sie besungen, Zizo Abdo entschlüsselt sie: die Gassen von Kairo. (Foto: facebook.com/cairoBiography)

"Cairo Biography"

Kairo ist keine Stadt, die es Spaziergängern leicht macht, zu viele Menschen, zu viele Autos, zu viel Staub. Aber wenn man weiß, was man sucht, gibt sie ihre Schätze preis. Der Archäologe Zizo Abdo weiß, was er sucht, und er ist großzügig genug, den Zuschauer mitzunehmen. "Cairo Biography" heißt seine Initiative, die nach dem Start mit einer Müllsammelaktion in historischen Gebäuden vor einem Jahr gewachsen und gewachsen ist: Inzwischen gehören eine Facebook-Seite, Workshops, Podcasts und eine Reihe dokumentarischer Videos dazu, die in die 1000-jährige Geschichte von "Al-Qahira", der Siegreichen, eintaucht. Und siehe, eine neue Stadt erblickt die Sonne Ägyptens, mit Karawansereien und Mausoleen, Moscheen und Herrenhäusern, und, tja, immer noch viel Schmutz. Naguib Mahfus mag das "Zuckergässchen" besungen haben, Abdo klettert in den engen Winkeln von Kairo buchstäblich über einen Schuttberg, um in den prächtigen Palast Al-Mosafer Chana aus dem 18. Jahrhundert zu gelangen. Einst erbaut von einem wohlhabenden Händler mit "guten Manieren", wie die Quellen sagen, wurde es später ein Salon für Diplomaten, Atelier-Gebäude für Künstler und einmal fast eine Mädchenschule. Ein Feuer zerstörte den Bau, die geschnitzten Türen und erlesenen Mashrabija-Fenster, aber in den Ruinen entdeckt Abdo über einer Tür eine Inschrift: "Ihr, die ihr diese Halle gesehen habt, merkt euch den Tag. Es ist eine Halle des Himmels." Jahrzehnte vor Wagners "Tannhäuser"-Arie preist diese Kalligrafie die erlösende Kraft der Architektur. Es wird wieder viel gebaut in Kairo. Präsident Abdel Fatah al-Sisi lässt vor den Toren der alten, abgenutzten, schwer kontrollierbaren Stadt eine neue Kapitale für Ministerien und Behörden entstehen. Ohnehin gibt es nicht ein Kairo, sondern viele, alle paar Jahrzehnte wurde eine neue Stadt gegründet, wenn die alte nicht mehr zu gebrauchen schien. Und jedes Mal umarmte das alte Kairo bereitwillig den neuen, wohlhabenden Nachbarn und wuchs ein Stück mehr, während die alten vernachlässigten Viertel verfielen. Manches wurde inzwischen sorgfältig restauriert, aber Zizo führt die Zuschauer in die vergessenen Winkel, zu mamelukischen Schulen, die fatimidischen Moscheen und dem Mausoleum von Sidi Abdallah Rihan, der, so schwört es der Hüter des Schreins, jeden Tag zu seinem Geburtstag erscheint. Kairo, jedes Kairo, bleibt eine Stadt der Wunder. Sonja Zekri

Das im Hintergrund sind nicht die "Gesualdo Six", aber der Klang des englischen Gesangssextetts wurde oft schon engelsgleich genannt (Foto: Arcana)

Der große Renaissance-Musiker Giosquino

Zum 500. Todestag Ende August hat man sich wieder einmal dieses großartigen Renaissance-Musikers erinnert, der in seiner Zeit ein gefeierter Künstler war: Josquin Desprez, 1450 in Nordfrankreich geboren, franko-flämischer Sänger und Komponist, machte in Rom Furore und ist der bedeutendste Komponist der Frührenaissance. Die englische Gesangsgruppe "Gesualdo Six", benannt nach dem hundert Jahre später wirkenden Fürsten und Komponisten Gesualdo da Venosa, schafft einen idealen Klangraum für die vielstimmig verschlungene Musik Josquins, der in Italien Giosquino heißt - wie auch das Album (bei Arcana über outhere music) mit geistlichen Werken. Es ist weniger die Virtuosität des einzelnen Sängers als der homogene und doch hörbar aus individuellen Stimmen gestaltete Gesamtklang, der begeistert. Helmut Mauró

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