Sein bekanntestes Werk ist die Scheibenwelt-Reihe. Darin eröffnet Terry Pratchett seinen Lesern eine fantastische Welt mit Zauberern, Hexen und dem personifizierten Tod. Gut 30 "Scheibenwelt"-Romane gibt es - viele Figuren haben bei den Lesern Kultstatus. SZ.de stellt die wichtigsten vor.
Gevatter Tod
Er ist hochgewachsen, recht schlank, dürr sogar, trägt schwarze Kutte, Sanduhr und Sense. Wenn er spricht, braucht er keine Anführungszeichen. Seine Worte erscheinen in Großbuchstaben vor den Augen des Lesers.
Es mangelt ihm vielleicht an Haut, Fleisch und Herz. Trotzdem ist er die menschlichste Figur der ganzen Scheibenwelt. ICH HABE MIR KÜRZLICH VIELLEICHT EIN PAAR GEFÜHLE GELEISTET, gibt er zu. ABER ICH KANN JEDERZEIT DAMIT AUFHÖREN. Er fürchtet nichts. Außer, dass es mit dieser Furchtlosigkeit einmal vorbei sein könnte. Er wünscht sich nichts, außer vielleicht mal ein gutes Curry.
Sinn für Humor hat er nach eigener Aussage nicht, das hänge wohl mit den Drüsen zusammen, sagt er. Deshalb trägt sein stolzes Ross, auf dem er durch die Scheibenwelt-Sphären reitet, ganz ernsthaft den wenig majestätischen Namen Binky (deutsch: Schnuller). Tausende Jahre lang war er davon überzeugt, kein guter Vater oder Großvater sein zu können (ICH HABE NICHT DIE RICHTIGEN KNIE DAFÜR), mittlerweile vertritt aber Enkelin Susanne in den Schulferien den Großvater bei seinen Pflichten.
Bei vielen Scheibenwelt-Bewohnern hat er verständlicherweise keinen guten Ruf. Doch diese Vorurteile findet er absurd: MENSCHEN WERDEN ZWAR UMGEBRACHT, ABER DAS IST IHRE SACHE. ICH KOMME ERST DANACH INS SPIEL, erklärt er. Vor dem Tod muss man sich also nicht fürchten. Das wusste auch Terry Pratchett: "Ich habe keine Angst vor dem Tod", hat er einmal gesagt, "ich habe ihn so populär gemacht, dass er mir noch etwas schuldig ist."
(Matthias Huber)
Rincewind
In der Fantasy-Literatur werden Magier als imposante Figuren dargestellt. Ein Wink mit dem Zauberstab, und die Natur beugt sich ihrem Willen. Eine angedeutete Handbewegung und alle Monster weichen zurück. Pratchetts Vorzeigemagier Rincewind hingegen ist eine Schande für den ehrenwerten Berufsstand und eine Blamage für die Unsichtbare Universität von Ankh-Morpork, der Hauptstadt der Scheibenwelt.
Sein Zauberstab ist verbrannt und sein einziges überzeugendes Talent besteht darin, schnell wegzulaufen. Dennoch prangen auf seiner Berufsbekleidung, dem spitzen Zauberhut, die Lettern "Zaubberer" (englisch: "wizzard"), die Rincewind selbst dort eingestickt hat. Seit dem Band "Die Gelehrten der Scheibenwelt" trägt er außerdem den Titel: "Professor für öffentliches Missverständnis von Magie".
Ja, während die hohe Fantasy-Literatur ihre Magier mit wundersamen Kräften ausstattet, säte Pratchett konsequent das Misstrauen in die übermächtige Kraft dieser Figuren. Was natürlich nicht heißt, dass Rincewind nicht alles versuchen würde, um auch endlich so tolle Tricks wie die richtigen Zaubberer zu erlernen.
(Daniel Wüllner)
Treibe-Mich-Selbst-In-Den-Ruin-Schnapper
Er war Manager der erfolgreichsten Rockband der Stadt. Als Filmproduzent in "Holy Wood" hat er die gefragtesten Streifen herausgebracht. Er leitete den Anzeigenverkauf der Ankh-Morpok-Times, als die ersten Druckerpressen anliefen. Treibe-Mich-Selbst-In-Den-Ruin-Schnapper, benannt nach dem Satz, mit dem er seine Geschäfte abschließt ("und damit treibe ich mich selbst in den Ruin"), ist er der Prototyp eines Unternehmers.
Er hätte der Henry Ford oder der Steve Jobs der Scheibenwelt werden können. Doch am Ende jedes Bandes steht er wieder mit seinem Bauchladen an einer Straßenecke und verkauft ekelhafte Würstchen, von denen jeder Kunde schwere Verdauungsprobleme bekommt. Pratchett hat aus dem manchmal naiven Kapitalisten einen der großen Sympathieträger der Scheibenwelt gemacht. Er hat von seinem Prototyp sogar mehrere Kopien geschaffen. Da taucht in einem Buch der Verschlucke-Meinen-Eigenen-Blasrohrpfeil Schnang-Schnang im Dschungel auf, in einem anderen der Man-Stoße-Mich-In-Mein-Eigenes-Eisloch-Schnapooki.
Es liegt keine Moral in der Geschichte des Schnappers. Nur die Begeisterungfähigkeit, mit der er, wenn ihm gar nichts anderes mehr bleibt, sogar noch tote Ratten als Schnäppchen anpreist: "Vollwertratten! Ratte im Brötchen! Ratte am Stiel! Kauft sie, solange sie tot sind!"
(Wolfgang Luef)
Twoflower/Zweiblum
Ein Tourist ist in jeder Umgebung eindeutig als Fremdkörper zu erkennen: buntes Hawaii-Hemd, umgehängter Fotoapparat und eine unstillbare Neugier. Mit Twoflower (in den deutschen Romanen: Zweiblum) bedient Pratchett gnadenlos all diese Klischees. Nur sticht sein Tourist dadurch heraus, dass er der einzig Normale ist in einer Welt voller magischer Gestalten.
Im wirklichen Leben arbeitet Twoflower als Spezialist für Risikobewertung. Trotz seines Berufs sieht er in seiner Berufung, der touristischen Erkundung des Fantastischen, keine Gefahr. Twoflower schwärmt nun mal für Drachen und Feen und da ist das Urlaubsziel klar: die Scheibenwelt. Und tatsächlich reagiert er gelassen, wenn ein fauchender Drache vor ihm auftaucht - für ihn ein kleines Missverständnis, das sich in Kürze aufklären wird.
Zurück in seiner Heimat, dem Achatenen Reich, fasst er seine Reiseberichte unter dem Titel "Wie ich meine Ferien verbrachte" zusammen. Die unterdrückte Bevölkerung zeigt sich so elektrisiert von seinen Schilderung, dass der Band kurzerhand zum Pamphlet ihrer Revolution wird.
(Daniel Wüllner)