Süddeutsche Zeitung

Festspiele:Erbe des Ortes

Die Konzerte in Herrenchiemsee widmen sich der Nacht

Von Egbert Tholl, Herrenchiemsee

Wie schön der Einbruch der Nacht sein kann, erlebt man bei der Rückfahrt. Für diese muss man ein Schiffchen besteigen, weil man ja auf einer Insel ist. Während der Fahrt verschwindet das letzte Sonnenlicht hinter den Bergen, die Farbe des Himmels wechselt von Blau zu Schwarz, der See wird zum geheimnisvollen Dunkel. Dann kommt man in Prien an, und es ist Nacht. So ist es jedes Mal, wenn man die "Herrenchiemsee Festspiele" besucht.

König Ludwig II. sah in der Nacht, spezieller noch in Nachtmusiken "Traumbilder des Schöpferischen". In diesem Jahr kann man das nachempfinden bei den Festspielen. Deren künstlerischer Leiter, Enoch zu Guttenberg, versucht stets, das Programm der Konzerte auf der Frauen- und Herreninsel an der "ambivalenten Figur Ludwig II." festzumachen. Vielleicht auch, das kommt einem da grad so in den Sinn, weil es ihm ein bisschen ähnlich geht wie Ludwig selbst. Den reduziert die Wahrnehmung der Nachwelt gern auf Märchenkönig und homosexuell, dazu irgendwie nicht alle Tassen im Schrank. Guttenberg wird gern als Baron und Vater eines (ehemaligen) CSU-Politikers gesehen. Aus.

Inzwischen lacht er darüber. Und erzählt lieber davon, was er in diesem Jahr vorhat bei dem Festival. Ein Abend etwa verbindet Schönbergs "Verklärte Nacht" mit einer Lesung unter anderem aus Werken Arthur Schnitzlers und Joseph Roths. Es gibt zwei Requien, das von Brahms und das von Dvořák, also Trauer, Angst und Trost. Zu Beginn dirigiert Guttenberg Bach-Kantaten im Münster auf Frauenchiemsee - "da gehören die hin". Es gibt einen Kulturaustausch mit China: Das Suwon Philharmonic Orchestra ist zu Gast und spielt Berlioz und Sibelius; im August gehen Guttenberg, das Orchester der Klangverwaltung und die Chorgemeinschaft Neubeuern auf Tournee durch China und Korea.

Als 2013 die Deutsche Bank als Hauptsponsor mit Alleinstellungsmerkmal ausstieg - sie fördert das Festival immer noch, aber nicht mehr mit 1,2 Millionen Euro im Jahr, sondern "nur" noch mit 150 000 -, übernahm der Freistaat einen Großteil jener Summe. Das führte zu einem gewissen Unmut einiger Kulturschaffender, weil es gerade in Bayern eine Vielzahl von Festivals gibt, die von einer staatlichen Zuwendung dieser Höhe nur träumen können. Aber: Die Lokal- und Landespolitiker hatten im Jahr 2000 das Festival gewollt und überredeten Enoch zu Guttenberg, dieses zu leiten. Der fing dann an, voller Freude, das verhehlt er nie, nach einem Programm zu suchen, das dem geistigen Erbe Ludwig II. und der historischen Bedeutung des Ortes gerecht wird. Momentan scheint die Finanzierung gesichert zu sein, doch Sponsoren werden gesucht.

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Quelle:
SZ vom 12.07.2016
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