Festival:Musik, die reden will

"Adevantgarde" beginnt verheißungsvoll

Von Egbert Tholl

Eigentlich muss man ganz einfach von dem ausgehen, was Pierluigi Billone im Gespräch mit Levin Handschuh, Dramaturg des Festivals Adevantgarde, sagt. "Klang ist immer etwas für einen Zuhörer." Heißt: Klang, also Musik, ist immer kommunikativ. Billone verweist damit, vermutlich ohne es zu wissen, auf einen Gründungsgedanken der Adevantgarde vor 15 Jahren. Damals dachten sich Münchner Komponisten, es sollte doch möglich sein, ein Festival für zeitgenössische Musik auf die Beine zu stellen, das den Zuhörern nicht die elaboriertesten Ausformungen klanglicher Errungenschaften vor die Ohren setzt, ohne sich darum zu scheren, was die davon halten. Die Zuhörer, nicht die Ausformungen. Oder die Errungenschaften. Nein, was Musik im Kern ist, eben Kommunikation, sollte für das ganze Festival gelten. Und auch wenn die beiden derzeitigen Leiter der Adevantgarde, Markus Lehmann-Horn und Alexander Strauch, vom Zuhörer eine große Offenheit ersehnen und ihm keineswegs gefälliges Zeug vorsetzen, so muss sich doch niemand davor fürchten. Sondern einfach nur hören.

Billone, geboren 1960 in Italien, Schüler von Lachenmann und Sciarrino, ist sozusagen der Stargast des Eröffnungskonzerts im Einstein, durch physische Präsenz und wegen zweier seiner Stücke, die dort das Ensemble Blauer Reiter unter der Leitung von Armando Merino aufführt. Das erste ist "Kosmoi.Fragmente" von 2008, für eine murmelnde, gurrende, gurgelnde, deklamierende und Sprachreste ohne semantischen Druck wie in den Wind verlierende Frauenstimme. Und sieben Instrumente, viel Geräusch, gestrichenes Donnerblech, gestopftes Fagott, was an ein verschnupftes Mammut erinnert.

Billones Klangsinnlichkeit ist völlig frei von irgendeiner Schwiemeligkeit, er hat ein Faible dafür, herkömmliche Instrumente sehr unherkömmlich bedienen zu lassen, was im zweiten Stück, "Dike Wall", inspiriert von einem orphischen Hymnos, noch stärker zum Ausdruck kommt. Aber: So faszinierend die Klangerfindungen dieses im Grunde Schlagzeugkonzerts (plus sechs "Begleiter") sind, auf die Dauer vermisst man eine musikdramaturgische Idee, ein Ziel. Das Ganze ist superkonkret gespielt, Mathias Lachenmayr besitzt an den perkussiven Gerätschaften hohe theatralische Wirksamkeit, aber vom Eindruck eines anhaltenden Zustands können auch die tollen Musiker das Werk nicht ganz befreien.

Davor und dazwischen: Flirrende Ideen von Ulrich Kreppein, Volker Nickel und Isabel Mundry. Das Festival läuft bis 2. Juni, es gibt dort alles, von Island bis Schweinsbraten.

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