Süddeutsche Zeitung

Festival:Junge Hunde, alte Hasen

Im Theatron macht man Entdeckungen und hört etablierte Bands wie die "Young Chinese Dogs"

Von Dirk Wagner

Auch in München wird im Kulturbereich gespart. Mit dem Musiksommer-Programm im Theatron am Olympiasee leistet sich die Stadt trotzdem noch eines der längsten durchgehenden Musik-Open-Air-Festivals der Welt. 2002 erhielt sie dafür sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Fast einen Monat lang dauert der täglich ausgerichtete Musiksommer im Olympiapark. Und das bei freiem Eintritt. Auf den Steinstufen des Theatrons sitzen auch Zuschauer, die man in den Live-Clubs kaum antrifft. Sei es, weil sie sich die Eintritte nicht leisten können, weil sie glauben, für deren Zielgruppe eigentlich zu alt zu sein, oder weil sie die Bands, die dort spielen, gar nicht mehr kennen.

Das Theatron ist in der Folge ein bewährter Ort, aktuelle Popströmungen einem breiteren Publikum zu präsentieren. An den Donnerstagen lockt zudem wöchentlich ein Feuerwerk Publikum an den See. Dann erleben selbst Newcomer-Bands dort eine Stadionatmosphäre, als hätten sie bereits Rockgeschichte geschrieben. So wie die Münchner Rockband Phantone am vergangenen Donnerstag mit ihrem an Led Zeppelin erinnernden Gitarrenrock. Die Band verkaufte nach dem Gig ihr frisch erschienenes Debütalbum.

Anders verhält es sich mit Young Chinese Dogs. 2011 in München gegründet, darf man diese Formation zu den etablierteren Bands zählen, die das Festivalprogramm bereichern. Heuer erschien ihr drittes Album, internationale Erfolge hat sie auch schon zu verzeichnen. Mit ihrem neuen Album "The Quiet & The Storm" war sie gerade auf Tournee. Trotzdem ist die auch als Schauspielerin bekannte Sängerin Birte Hanusrichter vor dem Auftritt im Theatron so nervös, als habe sie noch nie vor größerem Publikum gespielt. Schnell notiert sie sich noch ein paar Namen für die Danksagung auf ihre Setliste. Überhaupt vermerkt ihre Liste nicht nur die Reihenfolge der für das Konzert ausgesuchten Songtitel. Wie Regieanweisung sind immer wieder Ansagen in Stichworten zwischen Songtiteln platziert. Diese Anweisungen aber sind auf der Bühne schnell vergessen.

Birte spricht auch da zum Publikum, wo keine Ansagen vermerkt sind. Und das, was sie vor einem Song sagen sollte, fällt ihr manchmal erst nach demselben ein. "Ein richtiges Statement ist auch an falscher Stelle noch ein Statement", betont sie. Und das Publikum dankt ihr jede "falsche Stelle", weil sie das Konzert so auch da aufhellt, wo die Musik selbst mit wohltuender Traurigkeit die Schönheit des Lebens intoniert. Und so stimmt es wohl auch - wie Young Chinese Dogs in einem Song der schwedischen Band Broder Daniel in der Zugabe singen - dass man stirbt, wenn man jung ist. Weil junge Menschen in den Käffern, in denen sie sich plötzlich gefangen fühlen, immer umzukommen glauben. Der Gitarrist von Broder Daniel brachte sich kurz nach Erscheinen des Songs um. Die Young Chinese Dogs und ihre Fans aber wirken erfreulich lebensbejahend.

Nach dem Konzert blieben viele Zuschauer noch zum Kurzfilme-Gucken. Das Medienzentrum München zeigt sie immer mittwochs nach den Konzerten auf der Großleinwand.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2019
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