Festival:Jazz für Existenzialisten

Festival: In Frankreich gilt er als Grandseigneur des Jazz: Martial Solal, mittlerweile 91 Jahre alt.

In Frankreich gilt er als Grandseigneur des Jazz: Martial Solal, mittlerweile 91 Jahre alt.

(Foto: AFP)

Der schwedische Pianist Bobo Stenson, der Norweger Ketil Bjørnstad und der 91 Jahre alte Franzose Martial Solal, der einst den Soundtrack zu "Atemlos" geschrieben hat, kommen nach Ottobrunn

Von Udo Watter

Niemandem klebte die Filterlose lässiger an den Lippen als dem jungen Belmondo, und Jean Seberg avancierte in ihrer Rolle als amerikanische Studentin zur Ikone. Dazu: Handkamera, Jump-Cut, ironisch-existenzialistische Dialoge, eine Inszenierung, die mit fast allen Konventionen bricht. Dass wir als Zuschauer den Protagonisten so "Außer Atem" durch Paris folgen, liegt freilich auch an der kongenialen musikalischen Umsetzung: Für den Soundtrack des Nouvelle-Vague-Klassikers von Jean-Luc Godard, der 1960 in die Kinos kam, zeichnete der Jazz-Musiker Martial Solal verantwortlich (charakteristisch etwa das in der Tat atemlose "Poursuite" - "Verfolgung"). Der 1927 in Algier geborene Solal bezeichnete das später als "fantastischen Glücksfall", Godard ließ ihm freie kompositorische Hand - Solal setzte auch Big Band und Streicher ein - und für ihn, den damaligen Hauspianisten im Jazz-Club Saint-Germain-des-Prés, öffneten sich mit dem Filmerfolg viele neue Möglichkeiten.

Solal avancierte in der Folge nicht nur zum wohl prägendsten französischen Jazz-Pianisten, sondern war eben auch als Filmkomponist erfolgreich, ein musikalisch offener Grenzgänger. Gerühmt wird der Grandseigneur am Flügel bis heute wegen seiner pointierten und farbenreichen Klangsprache, stupenden Technik und seines Esprits - und an diesem Freitag tritt der mittlerweile 91-Jährige in Ottobrunn auf. Sein Konzert ist Teil des Klavierfestivals, das am Donnerstag von den skandinavischen Jazz-Pianisten Bobo Stenson und Ketil Bjørnstad eröffnet wird. "Solal ist einer der ganz Großen, ein unglaublicher Interpret", schwärmt Cornelius Claudio Kreusch, selbst Jazzpianist und mit seinem Bruder Johannes Tonio einer der künstlerischen Leiter der "Ottobrunner Konzerte". Dass Solal im hohen Alter in den Münchner Südosten kommt, ist nicht zuletzt persönlicher Bekanntschaft geschuldet - Cornelius Claudio Kreusch wurde vor gut 30 Jahren für den "1er Concours de Piano Jazz Martial Solal" in die Finalrunden nach Paris ausgewählt und hat dort als Abiturient sein Idol kennen gelernt.

So leichthändig und zugleich tiefgründig zu spielen, mit ähnlich nuanciertem Raffinement Melodien und Themen in neue Klanggewänder hüllen und dabei prägende Entwicklungen der Jazzgeschichte mitzudenken - das wollte der junge Kreusch auch. "Ich habe versucht, seinen Esprit aufzusaugen", sagt er. Solal beschrieb seine Kunst einst so: "Das, was man sagen möchte, kann man nur mit einer guten Technik aussagen. Wenn du freilich Sklave deiner Technik bist, kannst du keine gute Musik machen." Und obwohl der elegante Franzose mit zahlreichen weltbekannten Größen der Szene zusammengearbeitet hat und in seiner Heimat vielfach ausgezeichnet wurde, ist er außerhalb gewisser Expertenkreise nicht übermäßig bekannt.

"Er war nie ins Rampenlicht verliebt", erklärt Kreusch. Allzu exzentrische Rampensäue sind auch weder der Schwede Bobo Stenson noch der Norweger Ketil Bjørnstad, die in Ottobrunn den ersten Abend gestalten. Gerade der 74-jährige Stenson gilt aber als einer der einflussreichsten europäischen Jazzpianisten seiner Generation, er arbeitete unter anderem mit dem Saxofonisten Jan Garbarek zusammen und zeichnet mit dafür verantwortlich, dass der nordische Jazz mit seiner lyrisch-magischen Tonsprache große internationale Resonanz erfahren hat. Von simplen Impulsen ausgehend, entwickelt er gerne starke Melodien und Rhythmen, mitunter kantig, oft reduktionistisch, nie gefällig.

Ketil Bjørnstad ist eine künstlerische Doppelbegabung, ein Geschichtenerzähler, nicht nur am Piano, sondern auch literarisch: Er hat mehr als 30 Bücher veröffentlicht, darunter Lyriksammlungen, aber auch Bestsellerromane wie "Vindings Spiel". Er hat klassisches Klavier studiert, später Exkursionen in den Rock und Jazz gemacht und beeindruckt durch reduzierte und lyrisch fließende Tongestaltung, die im Hörer das Kopfkino anregt. Auch leise Töne können atemlos machen.

5. Klavierfestival Ottobrunn; Donnerstag und Freitag, 13. und 14. Dezember, jeweils 20 Uhr, Wolf-Ferrari-Haus, Ottobrunn, Rathausstraße 2 .

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