Festival:Bayern für alle

Lesezeit: 2 min

Die CD zum dritten Heimatsound in Oberammergau

Von Michael Zirnstein, Oberammergau

Heimatsound, kann man's noch hören? Nein, wenn der Sound nur nach Heimat klingt, nach dem ollen Tradi-Mix, der wieder populär ist, seit eine komplizierte Welt zu Kleinraum-Einfalt verführt. Begrüßen darf man Heimatsound hingegen, wenn mehr dahintersteckt als Stolz auf eine alpennahe Kultur. Drei Beispiele vom dritten Sampler "Heimatsound": "Was muss passieren, damit ihr seht, dass das hier auf der Kippe steht, und dass es nur gemeinsam geht?", singt Alex Diehl in dem mit Orchester aufgerüsteten Internet-Hit "Nur ein Lied". Sebastian Horn, Sänger von Dreiviertelblut und Ansager des zugehörigen Heimatsound-Festes in Oberammergau, entwickelt in "Mia san ned nur mia" die Utopie eines Bayern für alle: "Ma lacht und streit' und lebt halt gern, ma hoit se fest, tuat se vermehr'n, auf da Straß' weast a lustigs Boarisch hearn." Und auch der alte Kämpe Konstantin Wecker öffnet Grenzen: "Ihre Kinder werden unsere sein, keine Hautfarbe und kein Zaun, keine menschenverachtende Ideologie, trennt uns von diesem Traum." Drei Musiker (28, 45 und 68 Jahre alt) - eine weltoffene Idee.

"Heimatsound Vol. 3" ist eben nicht nur Gaudi. Die Auswahl trifft die Bayern-2-Musikredaktion zusammen mit Sony-Music, so kommen erfreulich viele Szene-Helden auf die Doppel-CD wie die Landlergschwister mit ihrem Oide-Wiesn-Hit "Der Räuber und der Prinz", Elephant Circus aus Nürnberg oder die bassgewaltigen Pollyester, die mit "2328628" nach der großen, weiten Welt der Clubs klingen. Dieser offene Ansatz hat gar den unbeugsamen Hans Söllner überzeugt, ein Lied freizugeben. Sein Drama "Wia de do drent" ist eine weitere Auslegung liedgewordener Offenheit: die Offenbarung seelischer Zustände.

Diese Freiheit herrscht auch im Sound. Volkstümelndes tönt in den 42 Stücken höchstens ironisch, wie bei Zither Manäs Schmähstück auf den Tegernsee, den "Lago di Bonzo". Dagegen scheinen sich die Jungen auf Soul geeinigt zu haben, seien es Hip-Hopper mit Brass-Geschmack wie Moop Mama oder Dicht & Ergreifend, oder sei es Stefan Dettl mit seinem bayerisch-englischen "Soultrain". Soul allerdings ist auch ein alter Hut, blickt man zurück zu Maria Mendt, die schon 1970 mit dem strahlenden "Wia a Glockn" jenen Riesen namens Austropop begründete, auf dessen Schultern Ungestüme wie Bilderbuch ("Schick-Schock") heute stehen und längst nicht mehr Dialekt singen müssen.

Mit der Mundart treiben die Clowns unter den Liedermachern gerne ihre Späße, ob die Gamskampler, die mit dem herrlichen "Schofscheraschorschl"-Schmarrn im Heimatsound-Contest einen Platz auf der CD und im Passionstheater gewonnen haben. Oder Fredl Fesl ("Wegwerflied"), Stefan Zinner ("Heile Welt"), Ringsgwandl ("Sitz de her") und Hannes Ringlstetter, der dem wie immer ausverkauften Heimatsound-Festival mit dem düsteren Duktus von Unheilig eine zynische Hymne liefert: "Oberammergau".

Heimatsound-Festival , Fr. & Sa., 29. & 30. Juli, Passionstheater Oberammergau; Live-Übertragung auf www.br.de, Höhepunkte auf BR-Fernsehen

© SZ vom 29.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: