Feste - Berlin:Jubiläum: "Absolventen haben das jüdische Leben bestimmt"

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Berlin (dpa/bb) - Sie war die erste ihrer Art weltweit: Die Bedeutung der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums ist aus Sicht des Rabbiners und Hochschullehrers Walter Homolka kaum zu überschätzen. "Für die jüdische Geistesgeschichte ist das eine einzigartige Institution mit Vorbildcharakter", sagte Homolka der Deutschen Presse-Agentur. "Die Absolventen haben das jüdische Leben bestimmt." Vor genau 150 Jahren wurde die Institution geschaffen, vor 80 Jahren lösten die Nationalsozialisten sie auf. An diesem Dienstag erinnert ein Festakt an das Gründungsjubiläum.

Ausgangspunkt im 19. Jahrhundert war, dass Juden an deutschen Hochschulen keine Professuren halten durften, wie Homolka erläuterte. Er ist Rektor des 1999 in der Nachfolge der Hochschule gegründeten Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam. Darüber hinaus gab es innerhalb des Judentums wichtige Stimmen für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Religion. Die privat gegründete und finanzierte Hochschule sollte dies leisten und die Ausbildung von Rabbinern auf eine neue Grundlage stellen.

Die Hochschule sei auch ein Zeichen für den Anspruch der jüdischen Religion auf Augenhöhe gewesen, sagte Homolka. "Es war ein Ausdruck, dass man sich nicht unterkriegen lassen will." Prägende Figur war über Jahrzehnte der Rabbiner Leo Baeck, der das Konzentrationslager Theresienstadt überlebte und nach Kriegsende in London wirkte. Während der NS-Zeit wurde der Institution der Rang als Hochschule aberkannt, dennoch blieb sie nach Homolkas Worten ein "Ort des geistigen Exils". Rund 730 Absolventen hatte die Hochschule in den 70 Jahren ihres Bestehens.

Nach Flucht, Vertreibung und Ermordung von Millionen Juden während der Shoa dauerte es bis 1999, bis das Geiger-Kolleg die Nachfolge antrat. 2013 wurde sie Teil der Universität Potsdam und damit erstmals Teil des öffentlichen Hochschulwesens. Im ehemaligen Haus der am 6. Mai 1872 gegründeten Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums an der Tucholskystraße in Berlin-Mitte hat heute der Zentralrat der Juden in Deutschland seinen Sitz.

© dpa-infocom, dpa:220503-99-136215/2

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