Süddeutsche Zeitung

Fernsehserien:"Qualität lässt sich nicht durch Quote erzwingen"

Sind deutsche TV-Serien wirklich so schlecht? Nach dem Erfolg amerikanischer Formate fordern Politiker die Einführung einer Deutsch-Quote. So etwas will nicht einmal die zuständige Kommission "Kultur in Deutschland".

Jürgen Schmieder

Die Maschine läuft schon wieder hochtourig, die bekannten Mechanismen greifen. Ein ausländisches Format hat hierzulande großen Erfolg. Dagegen sehen die einheimischen Produkte schlecht aus. Ein Hinterbänkler des Deutschen Bundestags meldet sich. Er fordert die Deutsch-Quote, um die einheimischen Produkte vor den erfolgreichen Importen zu schützen. Das nehmen sogleich die Zeitungen auf, auch sie fordern die Quote. Jetzt melden sich die Vorderbänkler. Sie fordern: Die Enquetekommission "Kultur in Deutschland" soll eingeschaltet werden.

Hat man alles schon so oft erlebt. Vor drei Jahren waren es fremdsprachige Lieder, die per Quotenregelung im Radio reglementiert werden sollten. Aktueller Diskussionsstoff: Fernsehserien aus den USA wie "Dr. House" und "CSI" erreichen mehr als fünf Millionen Zuschauer pro Folge und laufen den deutschen Produktionen den Rang ab. Eine Quote fürs Fernsehen soll her - öffentlich wie privat.

"Der Standort Deutschland darf nicht zu kurz kommen", sagt Erwin Rüddel von der CDU. Das sagt sich so leicht, denn es sagt sich so oft.

"Die SPD ist grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien", sagt auch Monika Griefahn von der SPD. So klingt es eben, wenn Erregung weitergereicht wird.

Doch: Muss man wirklich fürchten, dass deutsche TV-Serien aussterben? Dass hiesige Produktionsfirmen in den Ruin getrieben werden? Und das einzige Mittel dagegen soll die Quote sein?

In der von der Leine gelassenen Debatte ist ja die Rede davon, das Beratungsgremium "Kultur in Deutschland" einzuschalten - jene Kommission, die sich 2004 mit der Frage beschäftigte, ob man eine Quote für deutsche Musik im Radio einführen sollte.

Vorsitzende Gitta Connemann sagte auf Anfrage von sueddeutsche.de: "Wir haben im September 2004 eine Anhörung mit Experten durchgeführt. Danach haben wir keinen Handlungsbedarf gesehen, eine Quote für Musik in Deutschland einzuführen." Diese Empfehlung könne man auch aufs Fernsehen übertragen. "Qualität und Vielfalt lassen sich nicht durch eine festgelegte Quote erzwingen", sagt Connemann. Sie verweist auf das Beispiel der deutschen TV-Serie "Derrick", die aufgrund ihrer Qualität in mehr als 80 Ländern ausgestrahlt wurde.

Gleichwohl könne sie sich aber eine freiwillige Selbstverpflichtung der Sender vorstellen, um deutsche Talente zu fördern. Diese Empfehlung habe es auch im Jahr 2004 bei der Diskussion um die Musik-Quote gegeben.

Die Institution "Deutsche Fernsehserie" ist also angeblich in Gefahr! Jene Kunstform, die in den fünfziger Jahren mit Sendungen wie "So weit die Füße tragen" und "Familie Schölermann" den Begriff Straßenfeger prägte.

Konkurrenz aus den Vereinigten Staaten ist jedoch kein Phänomen, mit dem sich deutsche Serien erst seit wenigen Wochen herumschlagen müssen. "Derrick" (1974-98) sah sich mit "Columbo" (1968-2004) konfrontiert, "Das Traumschiff" (seit 1981) musste gegen "Die Bill Cosby Show" (1987-1993) antreten.

Deutsche Serien hatten und haben ihre Stärken in bestimmten Genres und sie haben sich stets gegen die Konkurrenz aus dem Ausland durchgesetzt, wenn sie qualitativ so hochwertig waren, dass sie mehr Zuschauer begeisterte als die Konkurrenz aus dem Ausland. So etwas nennt man im Kontext der Wirtschaft: Regeln des Marktes.

Familienserien wie "Ich heirate eine Familie" (1983-86), "Die Wicherts von nebenan" (1986-91) und "Ein Heim für Tiere" (1985-92) waren große Erfolge. Keine amerikanische Produktion konnte Heimatserien in der Qualität von "Der Bergdoktor" (1992-1999) und "Die Schwarzwaldklinik" (1985-89) produzieren. Außerdem war Deutschland führend im Genre Krimi - exemplarisch seien nur "Der Alte" (seit 1977), "Ein Fall für zwei" (seit 1981) und der "Tatort" (seit 1970) genannt.

In diesen Genres gehören deutsche Fernsehserien zur Weltspitze, in anderen eben nicht. Bei den Formaten Drama und Sitcom etwa kommt es mehr als in anderen auf das pfiffige Drehbuch an. Ein einfacher Vergleich: Die amerikanische Serie "Lost" beschäftigt zehn Autoren, die jeweils auf ein Jahressalär von mehr als einer Million Dollar kommen. Davon können deutsche Drehbuchschreiber nicht einmal träumen. Ähnlich verhält es sich bei Action- und Fantasy-Serien, die ein hohes Budget erfordern. Das wollen amerikanische Produktionsfirmen - in der Gewissheit, eine erfolgreiche Serie auch im Ausland vermarken zu können - aufbringen. Da hilft keine Quotenregelung.

Eine solche Regelung gibt es in anderen Ländern wie etwa Kanada - ohne zählbaren Erfolg. Im Gegenteil: Amerikanische Firmen verlegen sogar die Produktion nach Kanada (vorzugsweise nach Vancouver wie im Fall der Serie "Akte X"), sie bringen ihr komplettes Team mit und wählen einen kanadischen Produzenten oder Regisseur. Und schon haben sie eine kanadisch-amerikanische Serie produziert - und die Quotenregelung einfach rechts überholt.

Deutsche Produktionsfirmen haben in den vergangenen Jahren versäumt, Serien in den Genres zu kreieren, in denen sie weltweit führend sind oder für die ausländische Produktionen keine Gefahr darstellen.

Über eine deutsche Quote im Fernsehen zu diskutieren, macht schon deshalb keinen Sinn, weil eine Quotenregelung ja nicht auch automatisch die Qualität steigern würde. Zuerst müssen sich die deutschen Produktionsfirmen und Sender ihrer Fähigkeiten besinnen und anfangen, qualitativ hochwertige Serien zu entwerfen. Dann wird sich das Problem mit der Quote von ganz alleine erledigen.

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