Politik im Fernsehen:20.15 Uhr: Zeit für Illusionen

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Wenn jetzt der Bundestag gewählt wird, steht der Bundeskanzler nicht auf dem Wahlzettel – medial stehen die Spitzenkandidaten aber in der ersten Reihe. (Foto: Collage: Christian Tönsmann, Foto:Revierfoto/Frederic Kern/Mike Schmidt/Marco Bader/Imago)

Am Sonntag werden sich Scholz und Merz auf bestem Sendeplatz als harte Entscheider inszenieren. Das suggeriert eine Macht, die der Sieger nach der Wahl nicht im Ansatz haben wird. Sind die TV-Duelle nur fiktionaler Unsinn?

Von Nils Minkmar

Im Mai 1974 war das Fernsehduell zwischen den französischen Präsidentschaftskandidaten eine neue und aufregende Sache. François Mitterrand bereitete sich auf eine ihm gemäße Art vor. Er fuhr zu einem Freund aufs Land, studierte seine Unterlagen und nahm ein langes Mittagessen ein. Dann legte er sich hin. Dieser Mittagsschlaf geriet ihm zu lang. Sein Berater Jacques Attali notierte später: Diese sieste war fatal. Mitterrand kam allzu entspannt im Studio an, während sein nervöser Opponent Valéry Giscard d’Estaing vor Ehrgeiz die Wände hochging. Als Mitterrand zu langen Ausführungen über soziale Ungleichheit anhob, unterbrach ihn Giscard mit einer kurzen und tödlichen Replik: „Sie haben kein Monopol auf das Herz. Ich habe ein Herz, Sie haben ein Herz. (...) Niemand kann ein Monopol darauf beanspruchen.“

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