Süddeutsche Zeitung

Fehlurteile über Rockstars:"Prätentiöser Schrott"

Led Zeppelin "nicht überzeugend", David Bowie "charakterlos", die Stones taugen nichts: Die BBC unterzog in den sechziger Jahren Bands demütigenden Jury-Vorspielen und fällte krasse Fehlurteile.

Hans Hauert

Die "Stairway To Heaven" begann auch für die größte Rockband der Welt ganz unten. Als sich Gitarrist Jimmy Page, Sänger Robert Plant und ihre Band Led Zeppelin am 22. April 1969 für ein Radiokonzert beim britischen Sender BBC bewarben, mussten sie sich dem demütigenden Ritual eines Jury-Vorspiels unterziehen, das man heutzutage aus TV-Shows wie "Deutschland sucht den Superstar" oder "Popstars" kennt. Die Band stimmte die langsame, aber hochenergetische Bluesballade "I Can't Quit You Baby" an, und die Jury stellte ihre Fehlbarkeit unter Beweis.

"Audition Reports", Dokumente, die nun in den BBC-Archiven auftauchten, belegen, mit welch abfälligen Urteilen die Band, die einige der größten Songs der Rockgeschichte schuf, "Whole Lotta Love", "Communication Breakdown" und eben "Stairway To Heaven", bedacht wurde. Technisch sei Jimmy Pages Gitarrenspiel zwar beeindruckend, insgesamt biete die Gruppe aber nur einen Abklatsch der Blues-Sensation Muddy Waters. "Nicht überzeugend, unoriginell, verzerrt, altmodisch, nur für Spezialisten", so die Urteile, kurz: Die Musik von Led Zeppelin war für das Tagesprogramm von Radio 1 nicht geeignet.

Radio 1 war zwar 1967 gegründet worden, um die zahlreichen Hörer der alternativen Piratensender anzulocken, aber musikalisch sollte es weiterhin ordentlich und korrekt zugehen. Es mussten erst progressive Leute wie der Radio-DJ John Peel zur BBC stoßen, um die popmusikalische Revolution auch in den Äther zu bringen.

Dabei waren Led Zeppelin keine Unbekannten, ihr Debütalbum war im Januar 1969 erschienen und brachte es in Großbritannien auf Platz sechs der Charts, das zweite, im Oktober 1969 veröffentlichte Werk schaffte es gar an die Spitze der Hitparade. Page & Plant waren auch nicht die Einzigen, die sich Abfuhren einhandelten. David Bowie wurde als ein "Sänger frei von Persönlichkeit" gebrandmarkt, von Ziggy Stardust ahnte die Jury da wohl noch nichts. Und der Glamrocker Marc Bolan mit seiner Band T-Rex war einfach nur "Schrott, und zwar prätentiöser Schrott". Dass die Rolling Stones auch keine Chance bekamen, verwundert da nicht weiter.

"Es war halt eine Chance, 'Dazed And Confused' im Radio zu spielen; andere Sender hätten es sich nicht mal angehört", erinnert sich Jimmy Page heute. Dafür, dass es ihm 1969 nicht gelang, die Jury mit seinem von Verzerrungen und einem extralangen Gitarrensolo geprägten Signature tune zu überzeugen, rächte er sich auf seine Weise. 1971 nahmen Led Zeppelin schließlich als Weltstars ein Konzert für Radio 1 auf. Page bemängelte die schlechte Qualität der Aufnahme und gab sie erst frei, nachdem er sie selbst geremixt hatte.

Schließlich wurden Led Zeppelin also zum Aushängeschild der britischen Musikkultur, und der Titel des Songs bei ihrer ersten Begegnung mit der British Broadcasting Corporation bewahrheitete sich. "I Can't Quit You Baby" - Led Zeppelin und die BBC, diese beiden waren bei aller anfänglichen Ablehnung füreinander bestimmt.

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