Fünf Favoriten der Woche:Irre Lust

Fünf Favoriten der Woche: Max Miller erklärt, wie man Garum zubereitet.

Max Miller erklärt, wie man Garum zubereitet.

(Foto: Screenshot/Youtube)

Ein gefeuerter Disney-Mitarbeiter kocht historisch, ein Zürcher Comic kommt so düster daher, wie es für einen Berliner Bau der Moderne aussieht. Tom Hanks hechelt durch die Filmgeschichte, und Thais bauen elefantenfreundlich.

Von SZ-Autorinnen und SZ-Autoren

Gekochte Geschichte

Weil es keinen direkteren Weg ins Hirn gibt als die Geruchs- und Geschmacksnerven, musste die Youtube-Serie "Tasting History" zwangsläufig zum viralen Hit werden. Jeden Dienstag führt Max Miller aus Burbank im südlichen Kalifornien mit dem Charme des Supernerds in einem Video vor, wie man ein historisches Gericht zubereitet. Panis Quadratus zum Beispiel, ein Brot, wie es die Bäcker in Pompeij verkauften. Pizza mit Rosenwasser und Zucker, wie sie 1570 im Vatikan zubereitet wurde. Oder gebratenes Schmalz und den Essigdrink Posca, "das römische Gatorade", wie sie die Legionäre auf ihren Feldzügen bekamen. Miller arbeitete in der Marketingabteilung von Disney, bevor er wegen der Pandemie gekündigt wurde. Worauf er sich auf sein Hobby stürzte. Jedes 15- bis 20-minütige Video ist eine Mischung aus alberner Geschichtsstunde und ernsthafter Kochanleitung. Ein paar sind schon bei siebenstelligen Klickzahlen. Die erfolgreichste Folge bisher ist der Klassiker jeder Lateinstunde, Garum, die vergorene Fischsauce aus dem alten Rom. Andrian Kreye

Zwang

Fünf Favoriten der Woche: Gezeichnete Erzählungen von Angst und Schuld, von Tod und (Wieder-)Geburt - und von Zürich.

Gezeichnete Erzählungen von Angst und Schuld, von Tod und (Wieder-)Geburt - und von Zürich.

(Foto: Edition Moderne)

Zürich von unten - aus dem Blickwinkel einer hochsensiblen jungen Frau, die immer wieder in Abgründe und Höhlen stürzt, in einer Fallgrube verschwindet und sogar in ein Krematorium steigt. Man muss diese Protagonistin wohl für die Zeichnerin halten; seit 2018 bringt die 1997 geborene Schweizerin Simone F. Baumann ihr Fanzine "2067" mit düster-surrealen Alltagsepisoden heraus. "Zwang" ist die Sammlung dieser Kurzcomics durch die Edition Moderne (344 Seiten, 29 Euro). Auf einem der insgesamt vier (!) Cover ist die Protagonistin zu sehen, wie sie in ein Loch fällt, von oben wird sie von einem weißen Kaninchen beobachtet. "Zwang" - das ist Alice im Albtraumland. Welcher der vier Titel den jeweiligen Band schmückt, ist übrigens ein Zufallsspiel; zudem gibt es verschiedene Cover auf Vorder- und Rückseite des Buches, was alles Verwirrung auslöst und prima zu diesem irritierenden, manchmal verstörenden Buch passt. Dessen Protagonistin hat erkennbar psychische Probleme, die die Bewältigung ihres Alltags fast unmöglich machen. Dazu kommen verständnislose Eltern, die die "Spinnerin" schon mal dadurch bestrafen, dass sie die Tochter mit Messer und Gabel buchstäblich aufessen. Gewalt ist überall. Schwarz-weiße Tuschezeichnungen, deren Stil an die Underground-Comics der Sechziger- und Siebzigerjahre erinnert, zeigen dumme, gleichgültige oder boshafte Menschen mit seltsam deformierten, flächig wirkenden, leicht vergrößerten Köpfen. Diese Fratzen bevölkern eine Stadt voller Supermärkte und Geschäfte, aufdringliche Werbeplakate scheinen die Protagonistin mit ihren Glücksversprechen höhnisch anzuschreien. Simone F. Baumanns Geschichten tragen Titel wie "Der schlechte Tag", "Depression" oder "Migräne". Sie erzählen von Angst und Schuld, von Tod und (Wieder-)Geburt und dem Gefühl, den eigenen inneren Stimmen und einer bedrohlichen Umwelt ausgeliefert zu sein. Spätestens wenn sich die Protagonistin auf der Suche nach einer Wohnung in einer schier endlosen Schlange bedürftiger Bewerber anstellt, weitet sich dieses Buch zu einem Stadt- und Gesellschaftsbild - das der Stadt Zürich nicht gefallen dürfte. (Sie hat Baumann dennoch gefördert mit einem Stipendium.) Obwohl "Zwang" mit seinen 344 Seiten also in jeder Hinsicht ein heftiger Klotz ist, sollte man der Zeichnerin in ihr Kaninchenloch folgen. So stark gezeichnet und inhaltlich überzeugend bekommt man den Abgrund der Depression selten zu sehen. Martina Knoben

Tom Hanks' Filmgeschichte

Rick and Lisa 206 Bodart Casablanca 1942 1942 American romantic drama film directed by Michael Curti

Amerikanischer Überklassiker mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman: "Casablanca".

(Foto: Imago)

Wer eine Dokumentarserie über die Geschichte des amerikanischen Kinos macht und zufälligerweise Tom Hanks heißt, kann natürlich aus dem Vollen schöpfen. Der 64-jährige Hollywoodstar hat für den Sender CNN eine opulente Sendung koproduziert, die in Deutschland nun auf DVD und Blu-ray erschienen ist. "The Movies" erzählt in zwölf Episoden von der Gründung Hollywoods bis in die Blockbustergegenwart. Zu Wort kommen Filmkritiker und Filmhistoriker, aber auch so ziemlich alle lebenden Hollywoodstars: Tom Hanks selbst natürlich, sein Buddy Steven Spielberg, Julia Roberts, Robert De Niro, Sharon Stone, Tim Burton, Julianne Moore und viele mehr. Weit mehr als ein Jahrhundert Kino, das ist selbst für zwölf Folgen ziemlich viel Stoff, weshalb die Doku manchmal etwas hektisch erzählt wird - trotzdem macht sie eine irre Lust auf einen Berg an Filmklassikern. David Steinitz

Elefanten-Architektur

Fünf Favoriten der Woche: Die Volksgruppe der Kuy lebt in Thailand seit Langem mit Elefanten zusammen.

Die Volksgruppe der Kuy lebt in Thailand seit Langem mit Elefanten zusammen.

(Foto: Bangkok Project Sudio/Bangkok Project Sudio)

"Macht euch die Erde untertan" heißt es in der Schöpfungsgeschichte. Moderne Katholiken sehen darin zwar heute einen Übersetzungsfehler, doch die Aufforderung Gottes an die Menschheit, sich doch bitte als Boss zu gerieren, gilt für viele Exemplare der Spezies anscheinend noch immer. Und das, obwohl es langsam schwerfällt, die Folgen dieser herrschsüchtigen Haltung, die Klimakatastrophe und das Artensterben zu ignorieren. Dass ein gleichberechtigteres Zusammenleben zwischen Mensch und Tier sehr wohl möglich ist, selbst wenn die eine Gattung deutlich größer ist als die andere, das führt in Thailand die ethnische Bevölkerungsgruppe der Kuy vor. Seit 400 Jahren lebt sie mit Elefanten zusammen. Wer jetzt an die traurigen Bilder von depressiv vor sich hintrottenden Elefanten denkt, die Touristen durch Chiang Mai oder über Phuket tragen müssen, der kann getrost weiterlesen: Bei den Kuy werden Elefanten offenbar eher wie Familienmitglieder angesehen und dementsprechend behandelt. Das lässt sich auch an der Architektur dort ablesen, die im Zentrum des Thailändischen Pavillons auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig steht. Die einfachen Stelzenhäuser aus Holz und mit Wellblechdach haben zwei unterschiedliche Ebenen, eine für die Menschen, die anderen für den Elefanten. Diese sind so miteinander verzahnt und stützen sich gegenseitig, dass sie erst zusammen eine Einheit ergeben. Über Jahrhunderte haben die Kuy und ihre Elefanten von dem gelebt, was sie in den umliegenden Wäldern gefunden haben. Durch Umweltzerstörung und Waldrodungen wird das immer schwerer. Die thailändische Regierung versucht zumindest im Kleinen dagegenzusteuern und initiierte vor etwa einem Jahrzehnt "Elephant World", wo der thailändische Architekt Boonserm Premthada sich zum Ziel gesetzt hat, die Tradition der Kuy in die Gegenwart zu führen. Für die Biennale nun hat Premthada in dem thailändischen Bezirk Tha Tum einen Pavillon für Mensch und Elefant geschaffen. Der Holzbau nimmt den Maßstabssprung zwischen den unterschiedlichen Nutzern ernst, ohne dabei zwischen ihnen zu werten. Wäre nicht schlecht, wenn das zur Regel werden würde im Umgang mit Mensch und Tier. Laura Weißmüller

Frau Poelzigs Villa

Fünf Favoriten der Woche: Haus Poelzig, Terrasse vor dem Spielzimmer: Möbel mit blauem Lack, ein Planschbecken für die Kinder.

Haus Poelzig, Terrasse vor dem Spielzimmer: Möbel mit blauem Lack, ein Planschbecken für die Kinder.

(Foto: Bauwelt, Heft 34/1930)

Seit Freitag erinnert eine Gedenktafel an der Tannenbergstraße 28 in Berlin-Westend daran, dass die Villa dort 1930 von Marlene Moeschke-Poelzig entworfen worden ist, Gattin und oft auch beruflich Partnerin des Architekten Hans Poelzig. Die Tafel, die von der Künstlerin Hannah Cooke angebracht wurde, soll nicht nur darauf hinweisen, dass hier ein Bau von einer Frau der klassischen Moderne stammt, die oft als reiner Männerklub wahrgenommen wird. Es geht auch darum, dass dieser Bau nach dem Krieg im biederen Landhausstil verbastelt wurde, deswegen keinen Denkmalschutz genießt - und nun dem Abriss geweiht ist. Der Besitzer plant ein besser verwertbares Mehrfamilienhaus, das die Wohnungsnot in Berlin zwar auch nicht wesentlich lindern dürfte, dafür aber ein Werk von einer Frau der Moderne kostet, das genauso gut auch hätte wieder wachgeküsst werden können. Peter Richter

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