Favoriten der Woche:Utopischer Geist

Favoriten der Woche: Als der Futurismus per Hubschrauber kam: Transport der Bergstation des Schiedeck-Liftes in Sportgastein 1972.

Als der Futurismus per Hubschrauber kam: Transport der Bergstation des Schiedeck-Liftes in Sportgastein 1972.

(Foto: Salzburg Museum)

Mythos Salzburg, unterbelichtete Sonaten, nicht zu stoppende Quasselstrippen, Müll als Werkstoff und ein Dieb im Neonlicht: Empfehlungen der SZ-Redaktion.

Von SZ-Autoren

Dauergrummler Futuristen: Salzburg-Ausstellung

"... hier wird alles einverleibt: Ob das die ,schöne Stadt' von Trakl oder die Mozartkugel ist, das wird alles einverleibt". Kaum jemand hat die Stadt Salzburg so schön gehasst wie Thomas Bernhard. Das ändert natürlich nichts daran, dass man dem Schriftsteller hier bei jeder möglichen Gelegenheit ausgiebig huldigt. Selten ist dies jedoch so charmant vonstatten gegangen wie in der neuen Ausstellung "Salzburg einzigartig" im Salzburg Museum in der Neuen Residenz. Dort werden Bernhards grummelige Salzburg-Sätze neben herrlich amüsante Illustrationen eines Dauermelancholikers gestellt. Da muss man dann auch bei Zitaten lachen wie: "Die Salzburger waren immer fürchterlich wie ihr Klima, und komme ich heute in diese Stadt, bestätigt sich nicht nur mein Urteil, es ist alles noch viel fürchterlicher."

Sowieso gelingt der Ausstellung über Salzburg einiges: Obwohl sie die touristischen Markenzeichen dieser Stadt nicht ausspart, die für viele ihrer Besucher tatsächlich Salzburg ausmachen, sprich Mozartkugel, Kaffeehäuser und Salzburger Festspiele, zeigt sie doch, was Salzburg noch an Kunst- und Kulturgeschichte zu bieten hat. Erstaunlich archaische Krampus- und Perchtenläufe etwa. Und das architektonische Pendant zum literarischen Dauergrummler: den Salzburger Baumeister Gerhard Garstenauer. Der 2016 verstorbene Architekt versorgte das sowieso schon fantastische Bad Gastein, den mondänen Bergort südlich von Salzburg, der so aussieht, als hätte Wes Anderson den Masterplan geliefert, und wo Jugendstilhäuser aus Felsschluchten herauswachsen, in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit geradezu fantastischen Betonbauten. Garstenauers Bergstation in Sportgastein zum Beispiel sieht so aus, als sollte in den Alpen mal eben die urbane Zukunft beginnen. Sein Felsenbad im Ort könnte bis heute die Kulisse für einen neuen James-Bond-Film liefern. Und auch die Fotografien seines Kongresszentrums in der Ausstellung machen deutlich, welch utopischer Geist da in Bad Gastein mal am Werk war. Heute fehlt vielen die Fantasie, welche Rolle das Mammutgebäude spielen könnte. Es steht seit 2007 leer und verfällt. Laura Weißmüller

Licht an: Mendelssohns Violinsonaten

Favoriten der Woche: Lichter, dabei intensiver Geigenton, unverzärtelter Zugriff am Piano: Alina Ibragimova und Cèdric Tiberghien spielen Mendelssohn.

Lichter, dabei intensiver Geigenton, unverzärtelter Zugriff am Piano: Alina Ibragimova und Cèdric Tiberghien spielen Mendelssohn.

(Foto: Hyperion)

Felix Mendelssohn Bartholdys (1809 - 1847) drei Violinsonaten fristen gleichsam ein Leben in Unterbelichtung. Das hat mit seinen eigenen Skrupeln zu tun, denn die F-Dur-Sonate von 1838 ließ er nicht drucken und die Revision schloss er nicht ab. Die frühe F-Dur-Sonate komponierte er mit elf Jahren, die f-Moll-Sonate op.4 entstand 1823. Dass diese drei Stücke, jedes auf seine Art, jedoch hoch originell und geigerisch attraktiv sind, zeigt Alina Ibragimova mit dem Pianisten Cèdric Tiberghien. Sie beweisen, dass Mendelssohn nichts mit vermeintlich romantischer Gefühligkeit zu tun hat. Ibragimovas lichter, dabei intensiver Geigenton und Tiberghiens unverzärtelter Zugriff machen die drei Sonaten und einen grandiosen Fragmentsatz zur aufregenden Begegnung mit Mendelssohns klassizistischem Genius (erschienen bei Hyperion). Harald Eggebrecht

Quasselstrippe, nicht zu stoppen: Ryan Reynolds

Favoriten der Woche: Ein dummer Spruch für jeden: Ryan Reynolds und Zoe Saldana in 'The Adam Project.'

Ein dummer Spruch für jeden: Ryan Reynolds und Zoe Saldana in 'The Adam Project.'

(Foto: Doane Gregory/AP)

Gerade erst hat er Dwayne Johnson in "Red Notice" um den Verstand gequatscht, davor witzelte er sich in "Free Guy" aus einer traurigen Existenz als unmündige Videospielfigur. Jetzt kommt in "The Adam Project" schon der nächste Netflix-Hit - Ryan Reynolds dominiert die Filmwelt momentan wie kein anderer Star und Produzent. In Talkshows gibt der Kanadier schon länger die lustige Quasselstrippe, seit "Deadpool" aber baut er diese Persona auch erfolgreich in seine Rollen ein. Im neuen Film hat sich sein loses Mundwerk sogar verdoppelt: Als zeitreisender Testpilot begegnet er sich selbst im Alter von zwölf, und die lustigen Beleidigungen fliegen nur so hin und her. Brauchen wir aktuell Entertainment, in dem jedes Sentiment und jeder Heroismus mit einem dummen Spruch gekontert wird? Aber hallo. Und wie. Tobias Kniebe

Architektur als Wert-Stoff: Ausstellung "Upcycling"

Favoriten der Woche: Neues aus Altholz: Die Gestaltung der Ausstellung "Upcycling :: ReUse" in Mainz greift das Thema der Schau auf.

Neues aus Altholz: Die Gestaltung der Ausstellung "Upcycling :: ReUse" in Mainz greift das Thema der Schau auf.

(Foto: Kristina Schäfer)

"Müll" lautet der Titel, den Wolf Haas seinem neuen Buch rund um den Ermittler Simon Brenner gegeben hat. Das ist aktuell das Erste, was einem einfällt, wenn man an Müll denkt. Der zweite Platz gebührt dann schon dem "Great Pacific Garbage Patch". Das ist ein Müllstrudel im Nordpazifik, der Deutschland viereinhalb Mal bedecken würde.

Was einem dagegen nicht auf Anhieb einfällt, ist die verblüffende Tatsache, dass am Bau mehr als die Hälfte des weltweiten Müllproblems entsteht. Die Welt erstickt nicht nur am Plastikmüll, sondern vor allem am Bauschutt. Der Müll, der - kaum beachtet - beim Bau, Einrichten und Benutzen unserer Häuser entsteht, vor allem auch beim Abriss eigentlich intakter Bauten, gehört zu den perfidesten Klimakillern und übelsten Naturzerstörern. Man hat das allerdings kaum auf dem Schirm: Die feinsinnige Architektur als ästhetische Disziplin hat eben auch eine ziemlich dunkle Seite.

Vor diesem Hintergrund kommt die Ausstellung "Upcycling :: ReUse" zur rechten Zeit. (Wobei die lobenswerte Schau zumindest im Titel einen eher verschwenderischen Gebrauch von Doppelpunkten, Binnenversalie und modischen Anglizismen aufweist.) Im Brückenturm Mainz thematisiert die vom Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz organisierte Ausstellung noch bis zum 8. April die Notwendigkeit eines kreislauforientierten und ressourcenschonenden Planens und Bauens. Unter der Überschrift "Wiederverwenden statt Wegwerfen" versammelt sie beispielhafte Projekte und Exponate aus Architektur, Stadtplanung, Landschaftsarchitektur, Innenarchitektur und Design.

Auch die Ausstellungsbauten, ein demontierbares System aus Altholz, erdacht von angehenden Innenarchitektinnen und Raumgestaltern an der Hochschule Mainz, stellt sich in den Dienst der Upcycling-Idee. Beim Upcycling radelt man übrigens nicht bergauf, sondern es geht um Abfallprodukte oder scheinbar nutzlose Stoffe, die möglichst klimagerecht in neuwertige Produkte verwandelt werden. Aus Müll wird so etwas Besonderes: ein Wert-Stoff. Im Grunde geht es um eine moderne, Ökonomie und Ökologie gleichermaßen in den Blick nehmende Alchemie. Nur dass der Zauber auch darin liegt, auf ganz reale Weise von existenzieller Bedeutung zu sein. Gerhard Matzig

In der Neonnacht von Chicago: James Caan als "Thief"

Favoriten der Woche: Frank verkauft Autos - sein Geld verdient er aber anders: James Caan in "Thief".

Frank verkauft Autos - sein Geld verdient er aber anders: James Caan in "Thief".

(Foto: MGM)

Frank trägt seine Träume mit sich, im Taschenformat: eine Collage von Bildern, ein Haus, eine Frau, ein Kind, was ihm fehlt für ein glückliches Leben, zusammengefaltet in der Brieftasche, hinter den Kreditkarten. James Caan ist Frank in "Thief", 1981, dem ersten Kinofilm von Michael Mann (auf DVD neu bei Pidax). Mit elastischem Schritt, aber zusammengekniffenem Körper marschiert er dahin - er war lang im Gefängnis, nun verkauft er Autos. Und führt cool organisierte Großeinbrüche durch, Diamanten oder Geld. Jahre war er weg vom Leben, sagt Michael Mann, kannte nicht den neuen Stand der Technik, weiß nicht, wie man mit einem Mädchen redet. Nur als "professional criminal" ist er ganz bei sich (James Caan musste selbst einen Safe knacken zur Vorbereitung auf die Rolle). Am Ende nimmt ihn die Neonnacht von Chicago auf, die kalt und tröstlich im Regen glitzert. Fritz Göttler

Zur SZ-Startseite

SZ PlusFriedenssongs 2022
:Sag mir, wo die Blumen waren

Alle singen jetzt wieder Friedenslieder. Aber warum sind die Songs 50 Jahre alt?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: