Favoriten der Woche:Gegrillte Roadies

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Die "Foo Fighters" bei einem Auftritt vor einem Jahr in Los Angeles - damals noch mit Drummer Taylor Hawkins. (Foto: Rich Fury/AFP)

Eine Band im Splatter-Modus, Dior in Berlin, Wordle auf Latein, Filme der 2010er-Jahre und ein Ritt durch die Geschichte der Wiener Philharmoniker: Empfehlungen aus der SZ-Redaktion.

Götter des Gemetzels: Studio 666

Foo-Fighters-Chef Dave Grohl hat eine massive Schreibblockade. Immerhin: Passiert also den besten. Damit das zehntes Album der Band trotzdem fertig wird, schickt das Management ihn und die Band in ein abgelegenes Haus im kalifornischen Encino. Legitime Idee. Allerdings wird dort bald der erste Roadie durch einen Stromschlag gegrillt, und ab da entwickelt sich der Film "Studio 666" zu einer Art "Spinal Tap"-Gone-Splattermovie-Groteske - inszeniert von Dumm und Dümmer. Grohl entdeckt einen mystischen Keller, ein paar alte Tonbänder, eine neue Tonart (L-Dur) und in der Folge eine große Affinität zu rohem Fleisch und Kettensägen. In Nebenrollen: die Mitglieder der Foo Fighters, die Männer spielen, die die Mitglieder der Foo Fighters spielen. Faszinierenderweise wird das Ganze nicht ganz so bescheuert, wie es werden könnte. Aber dafür sehr viel brutaler. Jakob Biazza

Schöne Verschwendung: Dior in Berlin

Zyklamrotes Abendkleid, 1959, von Yves Saint Laurent für Dior. (Foto: David von Becker/© Staatliche Museen zu Berlin /)

Er war nicht unumstritten, unter anderem wegen seines enormen Verbrauchs. Für seine berühmte "Mexique"-Robe aus der Wintersaison 1951/52 , ein einziges kosmisches Funkeln, ließ Christian Dior Tausende Perlen aufwenden. Das Glitzern, so heißt es, solle an seine Kindheit in der Normandie erinnern. Da lag der Zweite Weltkrieg schon Jahre zurück und mit ihm die schlichte Mode jener Zeit, da war Dior schon bekannt als der Erneuerer mit neuen Linien und verschwenderischem Faltenwurf.

Das Berliner Kunstgewerbemuseum zeigt mit seiner Ausstellung " How to Dior" das rauschhafte Mexique, das zu den jüngsten Neuerwerbungen gehört und aufwendig restauriert wurde, aber auch die Anfänge Diors nach dem Krieg, die scheinbar schlichten Kleider mit schmaler Taille, runden Schultern, weiten Röcken, die dennoch auf komplizierte Schnitte zurückgingen. Es musste nicht mehr gespart werden, und das durfte man sehen, der "New Look" entsprach dem Geist der neuen Zeit. Tagestauglich war daran nicht sehr viel, warum auch, dafür können sich Besucher an drei Kleidern aus dem Besitz von Olivia de Havilland erfreuen und Modell für Modell beobachten, wie sich die Linie unter Diors Nachfolgern entwickelte, darunter dem wohl bekanntesten, Yves Saint Laurent.

Er war mit 18 Jahren aus Algerien zu Dior gekommen, wurde mit 21 Jahren Kreativdirektor, begradigte die Taille, kürzte die Röcke und ließ sich von der Mode der Jugend inspirieren. "How to Dior" (bis 26. Juni) zeigt nicht nur Laurents zyklamrotes Abendkleid, sondern auch die Kreationen der folgenden Köpfe, nach Gianfranco Ferré vor allem John Galliano, dessen überbordender Pomp sich schon in einem Jeans-Overall mit Herzchen-Taschen erahnen ließ und später Lady Di begeisterte. Das alles ist beneidenswert bombastisch, aber eben auch: historisch. Umso interessanter sind die Interpretationen junger Designer ein Stockwerk tiefer. Studentinnen und Studenten der Hochschule Macromedia Modedesigns haben nicht nur Originalschnitte aus dem Hause Dior neu verarbeitet, sondern auch das Frauen- und Geschlechterbild jener Zeit. Da sieht man viel Wulstiges, auch Plastik. Cis-Weiblichkeit ist für junge Designer erkennbar kein Thema mehr. Der Kopfputz aus Pfauenfedern schmückt jedes Geschlecht. Sonja Zekri

Traum aller Erziehungsberechtigten: Latin Wordle

Latin Wordle (Foto: Screenshot: SZ)

Kaum ein Onlinespiel hat sich in letzter Zeit so schnell verbreitet wie das Wörterpuzzle Wordle. Sechs Versuche, fünf Buchstaben - gesucht wird ein Wort. Und weil man nur einmal am Tag spielen kann, besteht keine Suchtgefahr. Nun gibt es Wordle auch auf Latein, Traum aller Erziehungsberechtigten, deren Kinder sich im intellektuellen Bootcamp eines humanistischen Gymnasiums fürs Leben rüsten. Weil es natürlich eine ganz andere Herausforderung ist, sich mit einem Spiel zu messen als mit dem Lehrplan. Pädagogischer Mehrwert und Vergnügen halten sich die Waage. Und das ist erst der Anfang. Das Spiel gibt es erst seit zweieinhalb Monaten, aber nach letzter Zählung schon in 139 Sprachen. Wer also Mandarin, Urdu oder Isländisch lernen will, kann seine Mühen nun "gamifizieren". Und ja, auch Altgriechisch gibt es. Andrian Kreye

100 Filme der 2010er

Das letzte Jahrzehnt des Kinos, wie wir es kannten? Jürgen Müller (Hrsg.): 100 Filme der 2010er, Taschen Verlag. (Foto: Taschen © 2022)

Was für ein Buch, allerdings auch: Was für ein Jahrzehnt! Kaum sind die 2010er halbwegs rum, wuchtet einem der Taschen-Verlag diesen Wackerstein auf den Tisch, den bisher wuchtigsten Band in der von dem Kunsthistoriker Jürgen Müller herausgegebenen Reihe zu den verschiedenen Kinojahrzehnten. Und zwar völlig zu Recht: Denn was, wenn es des klassischen Kinos letzte Dekade gewesen sein sollte? Was einem hier in einem schier überbordenden Museum voller jetzt schon ikonisch gewordenen Filmstills noch einmal gegenübertritt, sind zehn Jahre grundstürzender Veränderungen - von der Digitalisierung über die Vernetflixung bis zum Angriff der Identitätsfetischisten. Tarantino hat in "Once Upon a Time in Hollywood" im Grunde alles schon angerissen. Jetzt hat man 900 pralle Seiten zum Nacharbeiten: fast so schön wie Kino selber. Peter Richter

Glamouröses Kraut und Rüben: Wiener Philharmoniker

Wiener Philharmoniker Deluxe Edition Vol. 1 (Foto: Decca)

Mal abgesehen von der verschrobenen Kunst des Verpackungsingenieurs, die dazu führte, dass die einzelnen CDs nur mit roher Gewalt der Verpackung zu entreißen sind unter dem Risiko ihrer Zerstörung, kann man sich dieser Edition Wiener Philharmoniker mit freudiger Neugier nähern. Man wird geradezu gedrängt zum unmittelbaren historischen Vergleich, wenn man etwa auf einer CD Karl Böhm, James Levine und Herbert von Karajan eine Ouvertüre, die Alt-Rhapsodie und die Erste Symphonie von Johannes Brahms dirigieren hört. Die Unterschiede sind gewaltig. Böhm legt Wert auf maximale Präzision, Levine stochert bei der Altrhapsodie in wenig schlüssigen Konzepten, hat allerdings die Gesangsrolle mit Anne Sofie von Otter ziemlich fehlbesetzt, und Karajan wittert in jedem Satz der Symphonie ein noch exaltierteres Drama als im vorhergehenden. Das überzeugt am meisten. Es ist nie verkehrt, Musik als Klangtheater zu verstehen. Und Josef Krips? Ja, wer kennt den noch, der das Wiener Musikleben nach Kriegsende maßgeblich mitbestimmte. Hier kniet er sich in Tschaikowskys Fünfte und findet, quasi zwischen Böhm und Karajan, die rechte Balance von Klarheit und Sinnlichkeit. Genau richtig für Tschaikowskys überbordende Klangvisionen.

Es ist ein bisschen Kraut und Rüben geworden, natürlich mussten noch ein paar zeitgenössische Werke mit hinein, man will ja nicht zu altbacken daherkommen. Also dirigiert Semyon Byschkov das "Time Recycling" von René Staar, Claudio Abbado Werke von Rihm und Ligeti, Andris Nelsons ein Tripelkonzert von Iván Eröd und André Previn die "Diversions" von sich selbst. Offenbar soll die Edition also eine kleine Leistungsschau sein, eine Visitenkarte, die sich - tja, wem eigentlich - nachdrücklich empfiehlt. Dabei sind die interessantesten Aufnahmen dieser Edition rein historische Schätze, etwa Lorin Maazels Sichtweise auf "Der Bürger als Edelmann" von Richard Strauss, mit Friedrich Gulda am Klavier, dem Geiger Willi Boskovsky und dem Cellisten Emanuel Brabec. Eine Aufnahme aus dem Jahr 1966, die Maazels eigentümliche Kombination aus Witz und Eleganz herausstellt. Auch Dirigenten wie Rafael Kubelik, die leicht mal übersehen werden in der glamourösen Rückschau, kommen hier profiliert zur Geltung. Mit großem Ernst und großem Überblick gestaltet er Beethovens Siebte, die in den Konzertsälen ja kaum noch erklingt. Weil sie eben doch mehr verlangt als nur Gebrauchsdramatik, wie Kubelik eindrucksvoll vorführt. Helmut Mauró

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