Süddeutsche Zeitung

Kleine Favoriten:Sei glücklich!

Ein wilder Sound-Trip, die Filmstadt Paris, Beethoven-Lieder, das Rätselspiel "Artle" und Design, nach Farbe sortiert: Empfehlungen der SZ-Redaktion.

Von SZ-Autorinnen

Blick in einen kreativen Kopf: Rosalías Playlist

Wie gern würde man ab und zu in kreative Köpfe hineinschauen. Ein großer Glückfall ist deswegen eine von der Pop-Vordenkerin Rosalía kuratierte Spotify-Playlist. "Inspo$ Motomami" umfasst 110 Songs (sieben Stunden Musik), die Einblicke in die Inspirationswelt der Spanierin für die wegweisenden Genre-Kollisionen ihres aktuellen Albums "Motomami" geben. Vorstellen kann man sich das wie ein musikalisches Moodboard für jeden einzelnen Track: Man hört alles Mögliche, von Avantgarde bis Mainstream-Pop, von den 1940ern bis heute, von Coltrane und Sinatra, über Björk, Madonna und Héctor Lavoe, bis Daddy Yankee und Kendrick Lamar. Manchmal dauert der kreative Gärungsprozess für einen Albumtrack mehr als zehn Referenz-Songs an. Nicht allen verschlungenen Gedankenwegen kann man folgen. Aber man entdeckt unterwegs Unmengen guter Musik. Ein herrlich wilder Trip durch Sounds, Stimmungen und kulturelle Codes. Annett Scheffel

Mehr als eine Zugabe: Ausstellung Colour Rush!

Wer denkt, Farbe sei nur so etwas wie eine nette Zugabe bei einem Designentwurf, der sollte "Colour Rush!" im Vitra-Schaudepot besuchen. Die niederländische Designerin Sabine Marcelis hat für ihre Installation aus der Sammlung des Vitra-Design-Museums 400 Objekte ausgewählt, und zwar der Farbe nach. Jetzt stehen die Entwürfe nicht mehr chronologisch in den fast raumhohen Regalen, sondern nach Rot, Grün, Blau, Gelb, Orange sortiert. Dieser Anblick macht nicht nur schlagartig gute Laune - vermutlich werden bei der Betrachtung solcher Farbpracht automatisch Glückshormone ausgeschüttet -, sondern zeigt auch, welche Bedeutung Farbe im Design hat. Sie kann einen Entwurf verändern, indem sie die Form betont oder die Konturen weichzeichnet. Sie kann aber auch die Wahrnehmung eines Materials verändern. Und sie kann Botschaften senden, zum Beispiel: Be happy! Laura Weißmüller

Fast so schön wie Cannes: Filmstadt Paris

Für zwei Wochen im Jahr ist Cannes die Welthauptstadt des Films und des Kinos, gerade ist das wieder der Fall. Dann läuft die Stadt an der Côte d'Azur auch Paris den Rang ab als Zentrum des französischen, ja des europäischen Films. Paris hält das aus, die Metropole ist immerhin die Geburtsstätte des Kinos, dort haben die Brüder Lumière 1895 erstmals öffentlich einen Film gezeigt. Im Publikum saß der Zauberkünstler Georges Méliès, der so angefixt war, dass er den Lumières ihren Filmapparat abkaufen wollte. Das klappte nicht, Méliès wurde dennoch der prägendste Regisseur in der Frühphase des Kinos, gewissermaßen ist er der Erfinder des Spielfilms. Martin Scorsese wiederum, der ansonsten gedanklich kaum aus New York hinauszubewegen ist, hat Méliès in seinem Film "Hugo Cabret" ein cineastisches Denkmal gesetzt. Der Film spielt, wenn er dort auch nicht gedreht ist, natürlich in Paris, an der Gare de Montparnasse.

An all das erinnert Christine Siebert in ihrem Buch "Paris und das Kino" (Verlag Seemann-Henschel, Leipzig 2022. 224 Seiten, 22 Euro). Sie spaziert dafür durch die Stadt, an Schauplätze und Drehorte, besucht wichtige Kinos - mehr als 400 gibt es nach wie vor in der Stadt - und trifft Menschen. Etwa Thierry Béné, einen Psychologen, der sich mit der Psyche von Filmfiguren befasst. In Paris gibt es gleich zwei Buchhandlungen, die komplett auf Filmliteratur spezialisiert sind: Die Librairie du Cinéma du Panthéon sowie die Boutique der Cinématèque française. Die Cinémathèque ist vor allem aber das größte Filmmuseum der Welt, dort findet, wenn man so will, der Showdown des Buches statt.

Es geht Christine Siebert vor allem darum, dem Flair nachzuspüren, den die Paris-Filme verströmen. Im Café des Deux Moulins findet sie nichts davon: Der Charme, den das Lokal in "Die fabelhafte Welt der Amélie" besitzt, ist in der Realität des Touristentrubels untergegangen. Wohler fühlt die Autorin sich im Café de la Gare, das ein paar damals noch unbekannte Schauspieler gegründet haben: Gérard Depardieu, Miou-Miou, Coluche ... Am liebsten sind Siebert übrigens Filme wie "Außer Atem", in denen die Stadt nicht nur Kulisse ist, sondern selbst zum Protagonisten wird. Stefan Fischer

Bemerkenswerter Nachtrag: Beethoven-Lieder

Der einst so vielversprechende, zwischenzeitlich etwas schwächelnde Tenor Daniel Behle, hat - quasi als Nachtrag zum Beethoven-Jahr - ein bemerkenswertes Album mit Liedern des Bonner Komponisten vorgelegt ("Gegenliebe", bei Panclassics). Vielleicht denkt man beim Thema Lied nicht gleich an Beethoven, der allgemein eher selten als jener herausragende Melodiker verstanden wird, der er ist. Immerhin hinterließ er etwa 100 Lieder, und in vielen Instrumentalwerken liegt oft mehr musikalischer Sinn und Inhalt in den Melodien als in wilden Harmonien oder expressiven Orchestereffekten. Daniel Behle versteht das zum Teil sehr genau, und sein lyrischer Tenor ist hierbei auch an passender Stelle. Selbst in leicht pathetischen Bereichen wie dem "Seufzer eines Ungeliebten" oder dem "Bußlied" nach einem Gedicht des Aufklärers Christian Fürchtegott Gellert ist Behles Tonfärbung und Tonfall angemessen, zumal der opernerprobte Sänger jederzeit und sehr flexibel vom Erzählen ins Vorspielen wechseln kann. Einzig das historische Pianoforte, auf dem Jan Schultsz brillant und kongenial begleitet, reißt den Hörer dabei zurück in die vergleichsweise graue kammermusikalische Wirklichkeit.

Behle und Schultsz gelingt es aber, den kleinen Studioraum imaginär weit zu öffnen und den Hörer hinauszuführen in die bunte weite Klangwelt Beethovens. Nicht immer wandert Behle leichten Fußes, er ist, das hört man stellenweise, auf eine gute Stimmtechnik angewiesen. Aber die hat er weitestgehend, und sein geradezu virtuoser Einsatz der Voix mixte, mit dem er Brust- und Kopfstimme elegant verbindet, ist bewundernswert. Auffällig auch: die enorme und wortsinnhafte Textverständlichkeit, die leider nicht mehr selbstverständlich ist. Aber wo Beethoven dem Dichter so viel Wortwirkung lässt, sollte der Sänger nicht nachstehen. Behle, auch dies eine Besonderheit, scheint im Opernfach wie im Liedgesang gleichermaßen sicher unterwegs zu sein. Nur selten verwechselt er die Ausdrucksmöglichkeiten der beiden Genres. Wird höchste Zeit, dass sich mehr junge Sänger der historisch näselnden Konkurrenz Fischer-Dieskaus und dem nun auch schon allmählich ins Manierierte abdriftenden Liederfürsten Gerhaher stellen. Helmut Mauró

Künstlersuche: Rätselspiel "Artle"

Unter den zahllosen Kopien des Spiels "Wordle" ist "Artle" derzeit sicher das gebildetste. Schon weil das von der Washingtoner National Gallery gestaltete Ratespiel Zugriff auf mehr als 15 5000 Werke aus der Kollektion der amerikanischen Museumssammlung hat. Gezeigt werden vier Kunstwerke, bislang vor allem Gemälde von Künstlern wie Claude Monet, dessen "Madame Monet" allerdings auch einen hohen Widererkennungswert hat, genauso wie ein Seestück von William Turner. Die National Gallery stellt jeden Tag eines dieser Bilderrätsel online - und man darf gespannt sein, wann es komplizierter wird. Neben Gauguin und Picasso, Vermeer, Rembrandt und Leonardo sind auch durchaus unbekanntere Namen oder unbekanntere Werke wie die "Mortlake Terrace" von J.M.W. Turner (hier im Bild). Doch werden demnächst auch die zerfahrenen Pinselstriche des Abstract Expressionism zu sehen sein? Catrin Lorch

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