Jahrzehntelang war in Bayern von Hans Purrmann (1880 bis 1966) nichts zu sehen. Zuletzt hatte ihm 1976 die Villa Stuck eine große Ausstellung gewidmet. Nun erinnert das Buchheim-Museum an den großen Koloristen. Zu dem einzigen Purrmann-Bild, das in der eigenen Sammlung existiert, hat es 123 weitere Arbeiten an den Starnberger See geholt. Und zweifelsfrei ist es eine lohnende Wiederentdeckung eines Malers, den Farben unglaublich faszinierten, der aber nicht mit jedem Bild auf den Urgrund des Seins vordringen und nach der Wahrheit hinter den Dingen schürfen wollte. Die Begeisterung seiner Expressionisten-Kollegen für metaphysische Überhöhungen und philosophischen Tiefgang war ihm fremd. In eine Schublade stecken lässt er sich nicht, auch wenn seine hell leuchtenden Landschaften auf den ersten Blick eher harmlos wirken. Doch die durchkomponierten Farbereignisse, die von innen heraus zu glühen scheinen, haben es in sich.
Daniel Schreiber, Leiter des BuchheimMuseums, und Felix Billeter vom Purrmann-Archiv haben den "Französling", wie ihn die Nazis abschätzig nannten, in zwei Sälen platziert. Im großen Saal mischt sich Purrmann zwischen die Expressionisten, eine Gegenüberstellung, die gut funktioniert und gelegentlich ob der Unterschiede für Verblüffung sorgt. Anders als Kirchner oder Heckel, zwei Kollegen, die er sehr schätzte, lehnt Purrmann harte Kontraste und reine Farben konsequent ab.
Besser kennenzulernen ist die Handschrift des Malers im zweiten Saal, der sich thematisch nach Genres gliedert. Umgeben von den Landschaften wandert man an Akten, Interieurs, Porträts und hinreißenden Blumenstillleben vorbei. Hans Purrmann dekorierte seine Sträuße vor reich gemusterten Paravents und Teppichen, verwendete immer wieder dieselben Vasen, Silberkannen oder Miniaturskulpturen, schuf zauberhaft duftige, aus sich heraus leuchtende Bilder. Ganz anders daneben Max Beckmanns düstere Stillleben mit den halb verwelkten Blumen, deren Farben die Stimmungslage des Künstlers wiedergeben.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Purrmann war alles andere als ein weltfremder Optimist, sein Leben nicht gemütlich. Nur die diversen -ismen waren seine Sache nicht; die Sprache des Blauen Reiters war ihm möglicherweise zu mystisch-religiös geprägt, mit der Lebensreform-Bewegung, die die Brücke-Maler schätzten, hatte er auch nichts am Hut. Dafür legte er auf handwerkliches Können größten Wert, arbeitete seine Bilder genau durch, malte immer wieder dasselbe Motiv.
1880 in Speyer als Sohn eines Tünchermeisters geboren, feierte er unglaublich schnell erste Erfolge. Nach seinem Studium bei Franz von Stuck - seine Studienkollegen waren Paul Klee, Wassily Kandinsky und Albert Weisgerber - wechselte er nach Berlin. 25-jährig wurde er auf Vorschlag Max Liebermanns in die Berliner Sezession aufgenommen. Und er hatte sofort einen guten Galeristen: Paul Cassirer
Trotzdem zog es den jungen Maler nach wenigen Monaten Ende 1905 weiter nach Paris. Hin zu Matisse, der ihm ein Mentor wurde. Und auch wenn es stilistisch reichlich Unterschiede zwischen den beiden gibt, so hatten sie wohl dasselbe Ziel, das Matisse 1909 in einem Interview so formulierte: "Ich träume von einer Kunst des Gleichgewichts, der Reinheit, der Ruhe, ohne beunruhigende und sich aufdrängende Gegenstände, von einer Kunst, die für jeden Geistesarbeiter, für den Geschäftsmann wie für den Literaten ein Beruhigungsmittel ist, eine Erholung für das Gehirn, etwas, das Erholung von den Mühen des Alltags gewährt." Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwang Purrmann, Paris zu verlassen, sein Atelier wurde beschlagnahmt. Bis 1935 lebte er in Berlin, zog sich zum Malen auch in ein Fischerhaus an den Bodensee zurück, malte mehrere Sommer auf Ischia. Die Nazis ächteten ihn früh, verhängten 1933 ein Triptychon in Speyer mit Hakenkreuz-Fahnen, erklärten seine Bilder für entartet; 36 Gemälde verschwanden aus Museen. Purrmann entzog sich der Bedrohung, in dem er 1935 die Leitung der Deutschen Künstlerstiftung in der Villa Romana übernahm. 1943 aber musste er endgültig in die Schweiz fliehen, fünf Jahre später siedelte er sich in Montagnola im Tessin an, freundete sich mit Herrmann Hesse an, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft er lebte.
Lothar-Günther Buchheim kannte den Landschaftsmaler natürlich auch, verlegte Postkarten und Kalender mit seinen Bildern. 1962 besuchte er ihn in Montagnola, drängte ihn in Briefen, ihm ein Bild zu verkaufen, was aber zu Lebzeiten Purrmanns nie geschah. Erst 1999 erwarb Buchheim den "Garten am Bodensee", eines der letzten Bilder, die er überhaupt kaufte. Vielleicht waren ihm Purrmanns Gemälde einfach zu optimistisch, zu schön gewesen.
Purrmann und der Expressionismus , Buchheim Museum der Phantasie, Bernried, bis zum 9. Juli, täglich (außer Monatg) 10 bis 18 Uhr