Süddeutsche Zeitung

"Fasten auf Italienisch" in der SZ Cinemathek:Ramadan und Maserati

Inspiriert von alltäglicher Fremdenfeindlichkeit jongliert Kad Merad in seiner Komödie mit den Kulturen - und kommt der Wirklichkeit unserer Gesellschaft damit sehr nah.

Von Anke Sterneborg

Der Mann legt Wert auf Gediegenheit und Stil, er ist sauber rasiert, fein parfümiert, elegant gekleidet - kann sich bedienen aus Reihen von Hemden und Anzügen, aus Schubladen voller Uhren und Sonnenbrillen: Dino Fabrizzi ist ein Vorzeige-Italiener in Nizza, eine Art Italian Gigolo, der weiß, dass die makellose Erscheinung sein wichtigstes Kapital ist. Wenn er dann allerdings morgens in die Firma kommt, stellt er "seinen" Maserati heimlich wieder zurück und schleicht sich durch die Garage in die Räume des Autohauses, wo er als Verkäufer arbeitet: "Sag Bescheid, wenn du einen nimmst . . .", ruft der Mechaniker ihm halb unwirsch, halb amüsiert hinterher - ein erstes Zeichen dafür, dass die äußere Fassade dieses Mannes sehr dünn ist.

Das Kino hat ein besonderes Faible für Betrüger und Hochstapler, für die hohe Kunst der Verkleidung, für das Spiel mit den Identitäten, und Dino ist ein Meister seiner Klasse. Wendig jongliert er mehrere Existenzen, für Arbeitgeber, Vermieter und Freundin ist er Dino Fabrizzi, ein Italiener in Nizza, in seiner Familie in Marseille aber ist er der arabische Sohn Mourad Ben Saoud, mit lukrativem Job in Rom. Nur ein paar enge Freunde und seine Schwester sind eingeweiht, damit sie mit Notlügen und Alibis aushelfen können. Doch dann erleidet sein Vater einen Herzinfarkt, er ist für die Strapazen des Ramadan, des Fastenmonats, zu schwach und bittet den Ältesten, für ihn zu übernehmen.

Vorzeige-Italiener mit Doppelleben

Nachdem Dino die Schizo-Situation seines Doppellebens fünf Jahre lang schaukelte, wird es plötzlich kompliziert. Beten, Fasten, sexuelle Enthaltsamkeit - nur mit hanebüchenen Ausreden kriegt er die Ramadan-Rituale hin. Immer schneller, immer atemloser wird sein Leben, müde, hungrig und dehydriert verliert er den Überblick, hier ein falsches Wort, da eine unvorsichtige Bemerkung. Der Bella-Italia-Lack blättert ab, darunter kommt ein Araber zum Vorschein, der zunehmend seine Fassung verliert. Aber durch diesen Zerfallsprozess sein wahres Ich, seine Wurzeln findet.

Kad Merad, der als Postbote in "Willkommen bei den Sch'tis" bekannt wurde und eben als ungewohnt finsterer Mafioso in "22 Bullets" zu sehen war, weiß, womit er hier spielt - er ist selbst Franzose algerischer Abstammung. Zusammen mit seinem Freund und Komödienpartner Olivier Baroux (die zwei treten unter anderem als Duo "Kad et Olivier" auf) hat er eine lockere Komödie komponiert, die von alltäglicher Fremdenfeindlichkeit inspiriert ist: Natürlich kriegt ein Araber nicht so leicht eine Wohnung, einen Job, eine Freundin wie ein Italiener. Die aberwitzige Lebensdialektik dieses Italo-Arabers erweist sich damit als unangenehm nahe an der Wirklichkeit unserer Gesellschaft.

L'ITALIEN, F 2010 - Regie: Olivier Baroux. Buch: Nicolas Boukhrief, Eric Besnard. Kamera: Arnaud Stefan

Diese Kritik ist zuerst am 18.01.2011 in der SZ erschienen.

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