Fantasy:Wölkchenhimmel

Sasja

Frida Nilsson: Sasja und das Reich jenseits des Meeres. Mit Bildern von Torben Kuhlmann. Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2019, 496 Seiten, 20 Euro.

Ein Junge auf der Suche nach seiner Mutter in der Welt des Todes, in der er mit drei Freunden Abenteuer erlebt.

Von Siggi Seuss

Wölkchenhimmel. Ein Meer aus Sommerblumen. Undurchdringliche Wälder. Satte Wiesen. Bizarre Berge. Tiefe Schluchten. Frida Nilssons neuer Roman "Sasja und das Reich jenseits des Meeres" ist eingebettet in eine Landschaftsmalerei, wie wir sie spätestens seit Astrid Lindgrens Geschichten lieben.

Eine klippenreiche Insel zeigt uns bereits auf dem Frontispiz den Ort der Handlung. Ganz im Norden das "Haus des Todes". Der 500 Seiten starke Roman sieht nach großem Fantasyabenteuer aus. Aber er ist weit mehr als das. Schon durch das Coverbild und die Kapitelvignetten von Torben Kuhlmann fühlt man sich an Nilssons Roman "Siri und die Eismeerpiraten" erinnert. Ja, auch in "Sasja" - wiederum einfühlsam von Friederike Buchinger übersetzt - geht es um die Suche eines Kindes nach einem verloren geglaubten Menschen. Auch hier geht es um eine karthatische Reise durch eine mystische Welt, die einen an Astrid Lindgrens "Nangijala" erinnert. In der Welt der "ewigen Breitengrade", die Sasja nun erkundet, wohnt der "Herr Tod", ein eitler, im schmuddligen roten Morgenmantel umherstolzierender Geselle, der aber auch charmant und gastfreundlich sein kann. Er ist einer von ungezählten seiner Art, zuständig für die Welt um Sasja. Die Lebewesen, die seine Insel bevölkern, lieben ihn: die Hildiner, die Spartaner und die Harpyren. Die Geschöpfe verleben im mittelalterlichen Milieu und sprechen wie du und ich, mit zwei kleinen aber feinen Unterschieden. Die Hildiner sind Schweine, die Spartaner Hunde und die Harpyren Greifvögel. Und sie sind unsterblich. Dass sie einst Menschen waren, deren sterbliche Hülle der Tod öffnete, um ihre inneren Wesen auf seiner Insel anzusiedeln, das haben sie ein für allemal vergessen.

Das ist die Welt, in die Frida Nilsson ihren Erzähler Sasja setzt und ihm bald gleichaltrige Reisebegleiter zugesellt, einen Hildiner-Jungen, eine spartanische Prinzessin und einen kleinen Harpyr. Eines Nachts war Sasja aus der realen Welt losgezogen, um seine todkranke Mutter zu suchen. Er schnappte sich ein Ruderboot und verfolgte das Segelschiff des Todes mit Sasjas Mutter an Bord. Als er am nächsten Morgen auf einer fremden Insel strandet, will er dort den Tod suchen, um ihn zu bitten, seine Mutter ins wirkliche Leben zurückholen zu dürfen. Wie bei "Siri" werden wir mit schaurigen Ereignissen konfrontiert. Im nächsten Augenblick jedoch können wir herzlich über die Inselgeschöpfe lachen. Selbst der Tod, dieser eitle Fatzke, scheint ein Wesen mit vielen menschlichen Zügen zu sein. Er hat Sasjas Mutter aus verständlichem Grund nicht aus ihrer Hülle befreit: Er hat sich in sie verliebt.

Frida Nilsson verknüpft wie selbstverständlich das sinnlich spürbare Leid eines Kindes aus der wirklichen Welt mit den ebenso fühlbaren Nöten von Lebewesen aus einer Parallelwelt. Und zwar so geschickt, dass wir nur noch staunen können. Die Autorin ist eine selbstbewusste Erzählerin und wandelt gleichzeitig souverän auf Pfaden im literarischen Kosmos von Astrid Lindgren. Die Natur ist weder Staffage noch bloße Kulisse, sie gehört zur Geschichte wie die Luft zum Atmen. So ist der Roman eine großartige Parabel über Vergänglichkeit, die Angst vor dem Tod und über die Courage, mit der wir jeden Augenblick der Schönheit verteidigen sollten.

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