Fantasy:Die letzte Nacht in Potterland

Schrill, bunt, verrückt, die Geschichte der kleinen Morrigan, die von einem geheimnisvollen Mann vor dem sicheren Tod gerettet wird und in neues, verrücktes Leben eintaucht.

Von Carola Zinner

Überschwemmung und Feuer, Tod und Zerstörung, wo Morrigan ist, ist die Katastrophe nicht weit, und jeder in der Republik Wintersea weiß, warum das so ist: Es liegt am Fluch. Zu dem gehört allerdings auch, dass das zehnjährige Mädchen bald sterben wird - genau gesagt, in der Abendzeit, mit der die alte Ära zu Ende geht. Schlechte Aussichten also für Morrigan, die zudem in der Familie völlig isoliert ist: Corvus Crow, ein aufstrebender Politiker, kann kaum seine Erleichterung darüber verbergen, dass er die anstrengende Tochter bald los sein wird. Doch in der Todesnacht - es ist die von Morrigans elftem Geburtstag - kommt alles anders als erwartet. Ein rothaariger, riesenhafter Fremder taucht auf im Haus Crow, rettet Morrigan vor den rotäugigen Männern, Pferden und Bluthunden, die in Sichtweite sind, und nimmt sie mit ins wunderbare Land Nevermoor. Dort warten nicht nur unzählige Abenteuer, sie wird Geborgenheit finden und Freunde.

Jessica Townsend bringt ihre Heldin Morrigan mit Schwung auf den Weg, und da stört es zunächst auch nicht, dass beim beherzten Griff der Autorin in die Fantasy-Kiste auch reichlich Bekanntes zutage kommt, ob das nun Peter Pans Nimmerland ist, der Regenschirm von Mary Poppins oder die schwarzen Raben von Edgar Allan Poe. Doch im Wunderland wird dann doch alles vertraut: Unsichtbar sitzt in jeder Ecke er, der große Harry Potter, putzt seine Brille und flüstert "Ick bin all dor". Townsend beginnt ihre "Nevermoor"-Trilogie in jenem Ton, bei dem Rowling erst gegen Ende ihrer anfangs so wunderbaren Reihe landete: schrill und unter dem Einsatz sämtlicher Register der großen Gruselorgel. Man möchte fast sagen: So schreibt eine Fantasy-Autorin, wenn sie literarisch im Potter-Land aufgewachsen ist. Ausgefallen, bunt, verrückt - und gelungen. Denn man möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Lange muss man sich nicht gedulden, der zweite Band erscheint im Frühling. (ab 10 Jahre)

Jessica Townsend: Nevermoor - Fluch und Wunder. Aus dem Englischen von Franca Fritz und Heinrich Koop. Dressler Verlag, Hamburg 2018. 432 Seiten, 19 Euro.

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