Fantasy:Der Ewigbeste Zauberstab

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Die Magie des viktorianischen Londons: Annabell gegen Mr. Angel wird ein dramatischer Kampf zwischen böser und guter Magie, den sie nur mit Hilfe des Mädchens Kitty gewinnt.

Von Carola Zinner

Das Schühchen eines früh verstorbenen Babys. Schwarz gerändertes Briefpapier vom Schreibtisch eines Witwers. Der Lederriemen, mit dem in einer Besserungsanstalt die Kinder geschlagen wurden: Das viktorianische London ist voll mit diesen Gegenständen, mit denen Kummer und Not verbunden ist und die Mr. Angel genügend Futter geben für seine Maschine zur Produktion von schwarzer Magie. Wer also sollte ihn noch abhalten von seinem Plan, demnächst mithilfe des Schwarzen Zauberstabs die ganze Stadt damit zu überziehen und in ein Reich der Finsternis zu verwandeln? Sicherlich nicht die Mitglieder der Großen & Gütigen Zaubergesellschaft, zu der auch er selbst einst gehörte: Die guten Zauberer und Hexen sind mittlerweile uralt, klapprig und langsam. Und dass sie sich nun ein junges Mädchen zu Hilfe holten, versetzt Mr. Angel eher in Entzücken als in Unruhe. Hatte denn nicht schon Annabelles tränengetränktes Taschentuch genügt, um der Maschine einen regelrechten Kraftschub zu verleihen?

Kaum auszudenken, was passiert, wenn er das Mädchen erst ganz in seiner Macht hat. Annabelle, stets lächelnd und immer höflich, ein Mädchen, das weiß, wie man sich beim Nachmittagstee benimmt und das lieber in Ohnmacht fallen würde, als die Beherrschung zu verlieren - kurz, das vollkommene Produkt einer exzellenten Erziehung. Nur haben die Großtanten, bei denen die Zwölfjährige seit Neuestem lebt, leider ganz andere Vorstellungen, was gute Erziehung angeht. Die beiden alten Damen hofften, in Annabelle eine Nachfolgerin gefunden zu haben für ihren Laden mit hochwertigem Zauberbedarf und müssen nun feststellen, dass diese völlig ungeübt ist im Umgang mit den eigenen zauberischen Fähigkeiten. Da muss einiges nachgeholt werden, und zwar schnell. Denn die Macht des schrecklichen Mr. Angel wächst und wächst, und niemand kann ihm Einhalt gebieten außer dem "jüngsten und fähigsten Mitglied der Gesellschaft". Was im Klartext heißt: Annabelle - es gibt bedauerlicherweise sonst niemanden, der infrage käme - muss losziehen nach Unter-London, dort den Ewigbesten Zauberstab aus seinem Versteck holen und mit seiner Hilfe die gute Magie retten.

Zugegeben, das Thema "Zauberei" scheint mittlerweile abgegrast zu sein. Doch Karen Foxlee findet einen neuen Dreh: Wie sie die restriktive Mädchenerziehung der viktorianischen Zeit in Kontrast setzt zu den Herausforderungen, denen die Hauptfigur in der harten "Realität" der Zauberwelt begegnet, vom Wäschewaschen bis zum richtigen Umgang mit Trollen, das ist so unterhaltsam wie spannend. Dazu tragen auch die zauberhaften Wesen bei, die sich der Heldin anschließen.

Vor allem das Mädchen Kitty, wild, verwahrlost, aber im Besitz wunderbarer Fähigkeiten, entwickelt sich zu einem ebenso überzeugenden Charakter wie Annabelle. Bleibt nur noch, der Autorin Lob auszusprechen, dass sie nicht mit einem Open End die Leser zum Kauf eines Folgebandes zwingt, sondern der Geschichte vielmehr ein richtiges Ende gegeben hat. Ein paar Anknüpfungspunkte für eine Fortsetzung finden sich trotzdem. (ab 10 Jahre).

Karen Foxlee : Annabelle und die unglaubliche Reise nach Unter-London. Aus dem Englischen von Kathrina Distelmeier. Beltz & Gelberg, Weinheim 2018. 352 Seiten, 14,95 Euro.

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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