Kinderbuch:Es wird eng

Kinderbuch: Tamara Bach: Das Pferd ist ein Hund. Mit Illustrationen von Ulrike Möltgen. Carlsen Verlag 2021. 240 Seiten, 12 Euro.

Tamara Bach: Das Pferd ist ein Hund. Mit Illustrationen von Ulrike Möltgen. Carlsen Verlag 2021. 240 Seiten, 12 Euro.

Tamara Bach erzählt von einem epischen Winter, der so hart ist, dass die Kinder in Berlin nicht mehr in die Schule dürfen.

Von Michael Schmitt

Es ist der Winter, in dem das Wort "kältefrei" Karriere macht: Die Schulräume lassen sich nicht mehr heizen, es fällt massig Schnee, die Kinder müssen zuhause bleiben, und das sind in einem mehrstöckigen Mietshaus nicht wenige. Auch die Eltern müssen sich damit arrangieren, und das geht nicht immer reibungsfrei. Es wird eng in den Wohnungen, es wird eng im Haus, es wird auch öfter mal laut. Clara, elf oder zwölf Jahre alt, steckt mittendrin: Erst hat sie sich mit ihrer besten Freundin Lisa zerstritten, jetzt kriegen ihre Eltern, Typus Kreative, es nicht hin, Beruf, Homeoffice und Kinderbetreuung neu und friedlich auszutarieren. Und dann ist da noch Vincent: Der wohnt mit seinem Vater, Typus Manager, oben drüber, ist etwas älter, nach eigenen Angaben jedenfalls "kein Kind mehr", vor allem aber ist er der coolste Junge, zudem der mit dem schönsten Lachen. Aber er lacht so gut wie nie und achtet kaum auf Clara.

Das Mädchen hat also viel zu erzählen in Tamara Bachs neuem Roman "Das Pferd ist ein Hund" - und ziemlich viel davon handelt zunächst von ihrer kleinen Schwester Luze. Die geht in die erste Klasse und hat gerade ihren engsten Freund verloren, weil dessen Mutter die Miete für die Nachbarwohnung nicht mehr bezahlen konnte. Wo der Junge jetzt abgeblieben ist, weiß Luze nicht, das ist wie eine Amputation. Sie spricht nicht mehr, versinkt in sich selbst. Alle Nachbarn kriegen das mit, wollen dem Mädchen auch etwas Gutes tun - aber am besten hilft Luze sich selbst, und deshalb ist sie auch der Schlüssel zu allem, wovon Clara erzählt.

Es geht um die Kraft der Fantasie, darum wie sich nicht nur Luze aus eigenem Vermögen am Schopf aus einem Sumpf ziehen kann. Es geht um einen unsichtbaren Hund, um Witze, die verpuffen, und um Pointen, die zwischen Menschen etwas aufbrechen können wie kleine Explosionen. Es geht darum, wie unterschiedlich junge Menschen mit ihresgleichen umgehen können - direkt und unverblümt, wenn Neugier oder Not ein Antrieb sind, und gehemmt, wenn sie fürchten, dass ein falsches Wort rosarote Hoffnungen in aschgraue Enttäuschungen verwandeln könnte.

Das Mietshaus erweist sich dabei als ein Kosmos von Menschen unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlicher Interessen.

Wäre "episch" nicht ein so gewaltig großes Wort - eines, das man nur aufrecht sitzend oder stehend aussprechen kann, wie Clara einmal bemerkt -, dann ließe sich die Fülle von Situationen und Erfahrungen, von denen dieses Buch erzählt, damit vielleicht fassen. Aber "Das Pferd ist ein Hund" ist kein Roman, der sich in breiten Schilderungen ergeht. Kurz, knapp und pointiert werden stattdessen Szenen umrissen und Schauplätze gewechselt,- das Mietshaus erweist sich dabei zügig als ein Kosmos von Menschen unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlicher Interessen. Vor allem Clara und Vincent werden dieses kompakte Weltgefüge schließlich sogar im Detail erforschen und im Verlauf der kältefreien Tage einen Film darüber drehen. (ab 10 Jahre)

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