Fan-Ärger für Joanne K. Rowling:Und alle so: "Silencio!"

Potter

Ron, Hermine und Harry als Erwachsene am Bahnhof King's Cross - so hinterließ sie uns das siebte und finale Buch.

(Foto: Warner Bros. Pictures)

"Lass Harry in Ruhe!": Autorin Joanne K. Rowling twittert auch acht Jahre nach Erscheinen des letzten "Harry Potter"-Buchs immer neue Insider-Informationen über die magische Welt. Jetzt wird es aber sogar den Fans zu viel.

Von Anja Perkuhn

Joanne K. Rowling hat es gerade nicht leicht: Sie ist Opfer ihrer überbordenden Fantasie und ihrer tiefen Beziehung zu ihrer eigenen Geschichte. Endlich still solle sie sein, loslassen und die Potter-Welt endlich denen überlassen, für die sie gedacht war: den Muggeln. Äh, Lesern. So mosert man zumindest im Internet.

Schon seit geraumer Zeit veröffentlicht die Potter-"Mutter" immer wieder neue Erkenntnisse zu dem von ihr geschaffenen Universum. Zuletzt reagierte Rowling auf die Anmerkung eines Twitterers, der behauptete, das "t" im Namen des dunklen Zauberers Lord Voldemort spreche man nicht mit. "Ich bin aber ziemlich sicher, dass ich der einzige Mensch bin, der das so ausspricht", erklärte Rowling dazu.

Das Netz nahm die Korrektur beinahe gelassen hin. Es diskutierte zwar, wieso das in den Filmen falsch gemacht worden sei, obwohl Rowling doch auch dort Einfluss gehabt hatte. Ansonsten blieb es aber ruhig. Dennoch fordern seit geraumer Zeit viele: Es muss Schluss sein mit Einwürfen dieser Art.

Und tatsächlich ist die Kritik an Rowlings Ergänzungen vielstimmig:

Ihre Enthüllung zu Zauberlehrer Albus Dumbledore hatte zumindest noch gesellschaftskritische Dimension: Der weißhaarige, langbärtige Patron des narbenstirnigen Nachwuchsmagiers Harry Potter ist schwul - als Rowling diesen Fakt 2007 publik machte, kurz nachdem Dumbledores Geschichte mit dem siebten Band abgeschlossen war, war die überwiegende Reaktion noch: Entzückung.

Eine Überraschung! Ein Statement! Schließlich demonstrierte Rowling damit: Warum sollte er nicht schwul gewesen sein? Ein "Fan" schrieb Rowling dazu, er frage sich, warum Dumbledore schwul sein solle, er habe ihn jedenfalls nie als schwul gesehen. Ihre wunderbare Antwort: "Vielleicht liegt das daran, dass schwule Menschen ganz einfach aussehen wie ... Menschen?" Es war ein Aspekt, der die ohnehin schon liebevoll-dicht beschriebene Welt von Potter und seinen Freunden noch einmal unerwartet bereicherte, als sich die Fans ganz leser-traditionell schweren Herzens mit dem Ende der Buchreihe schon abgefunden und ihre Begeisterung vielleicht noch in die Filmwelt herübergerettet hatten.

Rowling spielt die überraschende-Bereicherungs-Karte allerdings seitdem immer und immer wieder. Sie erklärte beispielsweise auf ihrer eigenen Potter-Fan-Website, dass Harrys Adoptivfamilie, Onkel und Tante, ihn deshalb so hassten, weil Onkel Vernon sich von Harrys Vater verspottet gefühlt hatte. Über ihren Twitter-Account ließ sie ihre Follower an der Einschulung des ältesten Potter-Sohns in Hogwarts teilnehmen: "Habe gerade gehört, dass James Potter nach Gryffindor gekommen ist (nicht, dass das jemanden überraschen würde)."

Dann bereute sie ihre eigene Entscheidung, aus Ron und Hemine ein Ehepaar gemacht zu haben. Sie hätte lieber die kluge Hexe und Harry Potter verheiraten sollen, erklärte sie in einem Interview. Schon da waren einige Fans unsicher, wie sie mit dem rückwirkenden Eingriff in die Geschichte umgehen sollten, vermuteten düster, Rowling werde jetzt regelmäßig auf solche Weise Unruhe stiften. "Lass Harry in Ruhe!", forderte eine Leserin.

Sogar diverse Autoren wie John Green ("Das Schicksal ist ein mieser Verräter") oder Rachel Hawkins ("Hex Hall") schimpften auf die Britin: Ein Buch, wenn es einmal beendet sei, gehöre dem Leser - und nicht mehr dem Schreiber.

Es kamen noch weitere Nach-Erklärungen, oft auf Nachfragen von Fans. Beispielsweise versicherte Rowling, dass Harry Potter sicherlich auch mit schwulen, lesbischen und Transgender-Magiern auf der Schule gewesen sei. Auch den Alterungsprozess der drei Hauptcharaktere hat sie begleitet in einem Extra-Text über Harry, Ron und Hermine. Und ein Theaterstück über das alte Personal wird 2016 Premiere feiern.

Im Grunde ist es ja der Traum eines jeden Lesers, dass das fesselnde Buch, das er gerade zu Ende gelesen hat, doch nicht wirklich zu Ende ist. Doch in Rowlings Magierwelt lauert inzwischen hinter jeder Ecke plötzlich eine Entzauberung, oder zumindest Überzauberung. Eben weil die 50-Jährige die Deutungshoheit über ihre Werke nicht abgeben will. Verständlich natürlich, auch, weil die darauffolgenden Publikationen nicht an den Erfolg der Potter-Geschichte heranreichten.

Was dann mit so einem Werk und seinem Erschaffer geschehen kann, sieht man allerdings an "Star Wars"-Erfinder George Lucas, dessen Nachfolge-Filme der legendären Trilogie für die meisten nur ein trauriger Abklatsch der Originale waren.

Einen kleinen Trick könnte man ausprobieren als Lösung für das (Luxus-) Problem, damit wieder Raum geschaffen wird für die eigene Fantasie der Leser. Alle auf drei: "Silencio!"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: