Familienunternehmen "Playboy":Die Mutter aller Bunnys

Das Wort Pornographie will sie nicht hören, der Playboy ist für sie ein Hort der Freiheitsrechte: Hugh Hefners Tochter Christie ist die Frau hinter dem Magazin - und eine Kämpferin für die Demokraten und Barack Obama.

Anne Haeming

Eigentlich wollte sie in die Politik, dann ging sie zum Playboy. Christie Hefner ist die Tochter von Hugh Hefner. Seit 20 Jahren ist sie nun an der Spitze des Häschen-Unternehmens. Für sie ist der Playboy der Hort der Freiheitsrechte und schon immer politisch inspiriert. Heute kämpft Hefner für Barack Obama.

"Ich will mein Leben nicht in einem Bademantel verbringen", hat Christie Hefner einmal gesagt. Es ist einer jener Sätze, die eigentlich nicht extra ausgesprochen werden müssen. Wer Christie Hefner einmal erlebt hat, weiß, wie schwer vorstellbar ein solches Leben für sie sein muss: Sie trägt mit Vorliebe Rollkragen. Der Mann, den man meist im samtroten Morgenmantel mit seidenem Revers sieht, ist Hugh Hefner, ihr Vater. Zusammen sind sie die Stützen eines der am weltweit bekanntesten Familienunternehmen: Hugh Hefner hat Playboy gegründet, Christie Hefner hat die Chicagoer Firma gerettet. Ihn kennt man, von ihr bekommt die Öffentlichkeit so gut wie nichts mit.

Während "Hef" momentan in erster Linie präsent ist, weil eine erfolgreiche Doku-Soap seinen Alltag mit drei wasserstoffblonden Girls zeigt, und er unlängst verkündete, mittlerweile 82-jährig, noch einmal Vater werden zu wollen, spricht seine Tochter höchstens auf Branchenkongressen, bloggt ab und an Politisches bei der Huffington Post.

Der schmale Grat zwischen Seichtem und Seriosität gehört bei Playboy seit jeher fest zum Image - barbusige Bunnys hier, knallharte Kriegsreportagen da. Hier der Mann im notorischen Morgenmantel, da die 55-jährige Lady mit silbrig glänzendem Haar, ausgestattet mit den globalen Allzweckwaffen einer Geschäftsfrau: schmal geschnittenen dunklen Anzügen, dezenten Perlenohrringen, an denen sie immer wieder herumnestelt.

Fotos, die sie schulterfrei, dékolletiert und kniefrei zeigen, muss man lange suchen. Sie kann sich eine gewisse Lässigkeit leisten, ihren V-Ausschnitt ziert ein leichter Make-up-Rand, zwischendurch entfernt sie einen Fleck auf ihrem Schuh lässig mit Spucke. "Mein Vater und ich, wir ergänzen uns hervorragend", sagt Christie Hefner in ihrem starken Chicagoer Slang und bestellt eine zweite Tasse Kaffee - der Jetlag. Für ihren Körper ist noch tiefe Nacht. "Er ist der Kreative, ich kümmere mich um die Zahlen."

Die Zahlen, das sind zum Beispiel: 15 Millionen Leser weltweit, eigene Hefte in 24 Ländern. Und angeblich internationaler Platz eins unter den Monatsmagazinen. Auch Playboy Deutschland rangierte im vergangenen Jahr mit über 300.000 verkaufter Auflage an erster Stelle der Lifestyle-Magazine. Playboy ist längst nicht mehr einfach nur ein Heft. Es ist ein Entertainment-Konzern durch und durch. Die Lizenz-Sparte wächst mittlerweile am stärksten. Vor zehn Jahren sagte Christie Hefner noch, Playboy sei eine Milliarden-Dollar-Marke, und das solle sich auch in den Umsätzen zeigen. Im vergangenen Jahr lag der Jahresgewinn bei 4,9 Millionen Dollar, doch im vierten Quartal fiel ein Verlust von 1,1 Millionen Dollar an.

Eine tiefe Falte zwischen Christie Hefners Augen lässt ahnen, wie energisch sie ist. Sie weiß was sie will, und sie weiß, was sie kann. Sie umgibt eine Aura der Souveränität. Sie muss niemandem mehr etwas beweisen, außer sich selbst. Sie redet viel mit den Händen, kein hektisches Gestikulieren, es sind gezielt eingesetzte Bewegungen.

Wenn sie auf einer Bühne steht, vor lauter Verlagschefs aus der ganzen Welt, ist sie die Ruhe selbst. Keiner von den Kerlen da unten im Publikum kann ihr das Wasser reichen. Das weiß sie. Und die, die sich bei ihren eigenen Vorträgen zuvor noch am Pult festgeklammert hatten, deren Stimmen hörbar zitterten, wissen es auch. Dass sie in Gesprächen dennoch nie Blickkontakt hält, ist bei ihr alles andere als ein Zeichen von Schwäche.

Die Liste mit Auszeichnungen, die Christie Hefner in den vergangenen Jahrzehnten erhalten hat, ist so lang, dass man im Internet ein paar Mal scrollen muss. In dieser Menge werden Auszeichnungen geradewegs arbiträr. Einzig, wenn man sie auf die Forbes-Liste anspricht, fängt sie sofort an zu lächeln, das Grinsen unterdrückt sie. Drei Jahre hintereinander stand sie jetzt schon auf dieser Liste, die sie unter die 100 mächtigsten Frauen der Welt zählt. "Das ist sehr schmeichelhaft", sagt sie - eine schamlose Untertreibung. Das weiß sie. Sie grinst jetzt doch. Und schaut dabei auf ihre zusammengefalteten Hände, mit denen sie ihr Knie umfasst.

Christie Ann Hefner war ein Jahr alt, als die 1953 noch unbekannte Marilyn Monroe tief ausgeschnitten vom Cover der ersten Playboy-Ausgabe winkte. Die Monroe war damals noch vollschlank, derlei Figuren haben im Heft heute keinen Platz mehr. Aber das erste Cover-Girl muss für Hugh Hefner etwas besonderes geblieben sein. Es heißt, er habe sich bereits sein Grab gekauft - direkt neben der Ikone.

Als Christie Hefner 25 Jahre nach Monroes Karrierebeginn zur Firmenchefin berufen wurde, war sie gerade einmal 29, sechs Jahre danach war sie Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin. Bereits mit 23 war sie zur Firma gestoßen, "total untypisch für meine Generation", sagt sie. "Das Business, das war das Establishment. Dem konnte man nicht trauen." Großkonzerne standen unter Generalverdacht als Vietnamkriegsfinanziers, Hefner, die an der privaten Brandeis-Universität englische Literatur und Amerikanische Geschichte studierte, war damals stark politisiert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Christie Hefner zur Mutter aller Bunnys wurde.

Die Mutter aller Bunnys

Nach dem College schrieb sie für ein alternatives Ostküstenblatt Filmkritiken, wollte sich eigentlich für ein Jurastudium einschreiben, danach in die Politik gehen. Bis dahin hatten sie und ihr Vater kaum Kontakt. Hugh Hefner war zu Hause ausgezogen, als sie gerade zwei war. Ihre Mutter heiratete erneut, mit ihrem Bruder wuchs Christie in einem Nobelvorort Chicagos auf, Klavier-, Gesangs-, Oboenunterricht inklusive. Nach ihrem Studium dann fragte ihr Vater, ob sie sich seinen Laden nicht mal von innen anschauen wollte. Ein, zwei Jahre, einfach so. Sie blieb.

Heft wie Hef sind längst zu Ikonen geronnen, selbst Kunstverlage wie Taschen oder Schirmer&Mosel bringen mittlerweile Reprint-Ausgaben heraus. Diese Ikonen sind jedoch noch immer stark genug, dass das Lifestyle- und Multimedia-Imperium, das Christie Hefner aus Playboy Enterprises gemacht hat, davon zehren kann. Nachdem sie die Führung übernommen hatte, räumte sie erst einmal auf. Und betrieb strategische Markenstärkung, wie es in Managersprache heißt. Sie schloss zunächst einmal die unrentablen Clubs, an denen ihr Vater so hing, der einzige Moment, so wird kolportiert, wo es geschäftlich zwischen den beiden richtig gekracht hat. "Damals gab es sogar Playboy-Luftbefeuchter", sagt sie.

Heute gibt es Playboy-Entertainmentwelten mit Comedy, Wellness, Spielhallen und Hotel, wie der Club in Las Vegas, der nächste, noch größere, soll Ende 2009 in Chinas Sonderverwaltungszone Macao eröffnet werden. Im September 2007 eröffnete in Londons Oxford Street ein Flagship-Store, auf über 1000 Quadratmetern findet sich alles, von Abendkleidern über Golf-Tees bis hin zu Eiswürfelbehältern mit Hasen-Motiv - Hefte liegen hier nicht aus. Und dann sind da noch die Unternehmensanteile an Jenna Jameson, Spice und Adult.com, die Playboy nach und nach eingekauft hat. Dahinter steckt sogenanntes Adult Entertainment, also Pornographie. Es sind Inhalte der etwas härteren Sorte, mehr als "fun, sexy entertainment".

"Fun, sexy entertainment", das ist Christie Hefners Marken-Mantra. Das Wort Pornographie will sie in ihrem Umfeld nicht hören. Erotik - okay, Romantik - unbedingt. Playboy sei vor allem Lifestyle. Playboy sei eine starke Marke, sagt sie, "a brand". Andere Männermagazine seien keine Marke, sie seien schlicht Magazine, findet sie. "Unsere Leser sammeln die Hefte, statt sie zum Altpapier zu werfen", sagt Hefner. Männermagazinleser sind Leser. Playboy-Kunden sind Fans.

Junggesellenabend

"Den Unterschied merkt man schon, wenn man sich fragt: Auf welche Party würde ich gehen, wenn ich die Wahl habe zwischen einer Playboy-Party, einer Maxim-Party, oder einer Hustler-Party?", erklärt sie. "Die meisten wollen zu uns, weil sie wissen, dass das die coolste Fete ist." Ursprünglich sollte das Heft Stag-Party heißen, Junggesellenabend.

Heute tragen Teenager-Mädchen T-Shirts, auf denen sich das Häschen-Logo über ihren Brüsten spannt, sie tragen den Hasenkopf mit Fliege an Ohrringen oder Halsketten. Den Vorwurf, Playboy würde Frauen als Objekte behandeln, reduziert auf Brüste und Body, kann Christie Hefner nicht mehr hören. "Wer das sagt, weiß nicht, wovon er spricht!", zum ersten Mal durchbricht Aggression den professionellen PR-Tonfall. Und sie hebt ihren Blick.

Die heutige Generation profitiere schließlich von den Erfolgen der sexuellen Revolution und der Frauenbewegung. "Als ich aufwuchs, durfte man als Frau weder kurze Röcke noch Schminke tragen, wenn man ernst genommen werden wollte", sagt sie. Heute sei es für junge Frauen selbstverständlich, auf gleichen beruflichen Chancen zu beharren, und sich dennoch sexy anziehen zu wollen. "Ich kenne kein Medium, das Frauen so positiv darstellt, wie wir. Wir feiern die Sexiness von Frauen und ihre Attraktivität für den heterosexuellen Mann."

Befreiungsschlag für eine ganze Generation

Als das Heft zum ersten Mal erschien, sagt sie, galt diese Einstellung als revolutionär. "In den fünfziger, sechziger Jahren war Playboy ein Rebell", sagt Christie Hefner. "Es war der Befreiungsschlag für eine ganze Generation. Das Heft entstand um eine geradezu subversive Idee: Es ging um Verspieltheit, Vergnügen, persönliche Freiheit, individuelle Rechte - alles Dinge, die sich weder in den Einstellungen der Menschen noch in den Gesetzen der USA spiegelten", sagt Hefner.

Und schiebt grinsend hinterher: "In vielem hat Amerika mittlerweile mit uns gleichgezogen." Sie meint das ernst. Vielleicht hat Christie Hefner diese individuelle Freiheitsliebe so verinnerlicht, dass sie auch ihren Vater einfach seinen bizarren Eskapismus leben lassen kann.

Die Affinität zur Politik, das gesellschaftliche Engagement waren es auch, die Christie Hefner damals, Anfang 20 doch bei Playboy bleiben ließen. Anders als Verlage wie Burda oder Holtzbrinck, Haymarket oder Meredith, besitzt Playboy kein Titel-Portfolio, das sich auch für eine politische Ausrichtung einsetzen ließe. Also setzt Hefner auf die Verbreitung der Marke, weiß um die Macht von Geld. Ihr Mann ist Ex-Senator von Illinois, er ist im Immobiliengeschäft.

Christie Hefner kämpft für Abtreibung, gegen die konservative Rechte, für die Rechte von Homosexuellen, baute bereits Anfang der achtziger Jahre mit dem Core Center eine der ersten Forschungs- und Betreuungseinrichtungen für Menschen mit HIV. Sie gründete mehrere Frauennetzwerke, unter anderem Emily's List, das die Karriere demokratischer Politikerinnen unterstützt. Das geschieht nicht so relativ zurückhaltend wie bei Friede Springer und Angela Merkel. Nein, Hefner macht das offensiv.

Weder Bademantel noch Bunny-Kostüm

Als Hillary Clinton um einen Platz im New Yorker Senat kämpfte, war Christie Hefner eine ihrer glühendsten Fürsprecherinnen. Jetzt unterstützt sie ebenso offensiv Barack Obama. "Ich finde, er kann am ehesten Mehrheiten organisieren", sagt sie. Sie ist fest überzeugt, dass er es schafft. Den Einfluss, den sie mit Playboy im Hintergrund hat, setzt sie eiskalt ein. Wenn man das als subversive Strategie bezeichnet, grinst sie.

Es gibt noch etwas, das genauso wenig zu Christie Hefner passen mag wie die Lebenseinstellung, die der Bademantel verkörpert: ein Leben im Bunny-Kostüm. Fakt ist: Sie wäre selbst fast einmal einer geworden, in einem Bostoner Club, noch während ihrer College-Zeit. Sie musste Autoschulden abbezahlen. Doch der Manager entschied, dass das keine gute Idee wäre - sie war unter 21. In den USA zu jung, um Männern, die den Abend unter knapp bekleideten Frauen verbringen wollen, Alkohol auszuschenken.

Den "Bunny" trug sie dennoch im Namen: Sie wurde Assistant Bunny-Mother. Bunny-Mothers, das sind Frauen in der Personalabteilung, die von Anfang an für die Mädchen im Hasen-Smoking zuständig waren. Es sind die, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen. Heute ist Christie Hefner die Mutter aller Bunnys.

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