Süddeutsche Zeitung

Familie Wolfgang Wagner:Die Asche seines Vaters

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Keine Aussprache mit Wolfgang Wagner, keine Nachricht vom Tod des Vaters. Und auch mit der Familie scheint es für Gottfried Wagner keine Aussöhnung zu geben. Die Geschichte vom verlorenen Sohn.

Olaf Przybilla

Der Sohn hätte gerne Abschied genommen vom Vater. Das aber war Gottfried Wagner, 62, nicht vergönnt. Dass sein Vater Wolfgang Wagner am vergangenen Donnerstag eingeäschert worden ist, das immerhin glaubt Sohn Gottfried zu wissen. Was er nicht weiß: Wo der Vater eingeäschert worden ist. Und wohin die Urne mit der Asche des Vaters verbracht worden ist.

Vom Tod Wolfgang Wagners hatte sein Sohn Gottfried, der in der Nähe von Mailand lebt, aus der Zeitung erfahren müssen - einen Tag nachdem der Hausvater vom Grünen Hügel in Bayreuth am 21. März 2010 gegen zwei Uhr morgens verstorben war.

Für den Vater existierte er nicht mehr

Die Geschichte des Regisseurs Gottfried Wagner ist die Geschichte eines verlorenen Sohnes. Deren tiefster Punkt ist datiert auf den Februar 1990. Kurz nach einer Vortragsreihe in Israel, bei der Gottfried Wagner mit Holocaust-Opfern über die braune Vergangenheit des Hauses Wagner ins Gespräch zu kommen versucht hatte, erreichte den Sohn ein Brief aus Bayreuth. "Als Vater und als Festspielleiter" teilte der Herr vom Hügel mit, dass er - Gottfried - von nun an nicht mehr für ihn - Wolfgang - existiere.

Es sollte nicht der Endpunkt in der Beziehung zwischen Vater und Sohn aus erster Ehe gewesen sein. Als Gottfried Wagner Jahre nach dem Bruch anfragte, ob eine Versöhnung noch vor dem Tod des Vaters möglich sei, ließ der antworten: Diese Versöhnung sei möglich. Zuvor aber müsse Gottfried vollumfänglich und öffentlich den Inhalt seiner Autobiographie "Wer nicht mit dem Wolf heult" zurückziehen - jenes Buches also, das man als Anklageschrift des Sohnes gegen den Vater deuten könnte. Gottfried lehnte das ab.

Als er im Mai 2009 - das Ende des Vaters schien nahe zu sein - am Hügel anfragte, ob der Vater sich ein letztes Mal mit dem Sohn aussprechen wolle, bekam Gottfried ein kühles Antwortschreiben des Hauses: Die Ärzte des Prinzipals lehnten eine solche Aussprache ab.

Nun hat der Sohn auch noch die Einäscherung seines Vaters verpasst. Und nicht nur das: Wer die Todesanzeigen studiert, die nach dem Tod Wolfgang Wagners erschienen sind, der wird auf der gemeinsamen Annonce der Familie Wagner den Namen des Sohnes vermissen. Spricht man Gottfried Wagner darauf an, sagt er: "Ich wurde nicht gefragt." Und nach einer Pause: "Menschlich und ethisch hat mich das tief erschüttert."

Das war schon zu Lebzeiten Wolfgang Wagners das Leitmotiv der Anklage des Sohnes gegen den Vater: Ein Machtmensch sei dieser - einer, dem es nur um das Wohl des Hauses gehe, um Herrschaft und um Dynastie. Empathie, klagte Gottfried Wagner immer wieder, komme in diesem Denken nicht vor.

Jetzt, nach dem Tod des Vaters, sagt der Sohn: Empathie spiele offenkundig auch im Denken der Nachfolger am Hügel eine "nur untergeordnete Rolle". Die beiden Nachfolgerinnen - Eva und Katharina - sind seine Schwestern.

Am 11. April wird Wolfgang Wagner in einer Trauerfeier im Festspielhaus gewürdigt. Die Familie Wagner wird in der Mittelloge Platz nehmen, dort wo einst Ludwig II. saß. Horst Seehofer wird anwesend sein, wohl auch Angela Merkel. Eine der Reden wird der Arzt des alten Wagner halten, er wollte es so.

Eine Einladung zur Trauerfeier liegt Gottfried Wagner nicht vor. Viele andere haben eine Einladung bereits. Er wird aber anwesend sein. Notfalls werde er "die Kanzlerin um eine Karte bitten", sagt er. Übernachten wird er bei einem Freund in Bayreuth. Die Villa am Hügel darf er seit 1975 nicht mehr betreten.

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Quelle:
SZ vom 29.3.2010/bica
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