Falscher Förderer:Das Phantom der Oper

New-Economy-Milliardär Alberto Vilar hatte Opern und Theaterhäusern viel Geld versprochen. Doch es rollte kein Cent. Nun muss der vermeintliche Vorzeigemäzen für lange Zeit ins Gefängnis.

Helmut Mauró

Der Mann wusste immer, was sich gehört. Als kubanischstämmiger New Yorker erfüllte Alberto Vilar das Klischee vom Flüchtling, der es in den USA zum Milliardär gebracht hat. Auch dies stimme nicht, sagte die Staatsanwaltschaft schon bei seiner Verurteilung letzten November, bevor nun das Strafmaß von neun Jahren Gefängnis festgesetzt wurde. Das Geld stamme aus Betrügereien, und die Geschichte von der Flucht sei auch erlogen. Vilars Vater war schließlich Plantagenbesitzer auf Kuba.

Falscher Förderer: Der vermeintliche Opernmäzen Alberto Vilar hatte Millionen versprochen. Selbst die anrührende Geschichte seiner Flucht soll der aus Kuba stammende New Yorker erlogen haben.

Der vermeintliche Opernmäzen Alberto Vilar hatte Millionen versprochen. Selbst die anrührende Geschichte seiner Flucht soll der aus Kuba stammende New Yorker erlogen haben.

(Foto: Foto: AP)

Im übrigen tat man sich schwer, Vilar als Verbrecher zu sehen. Immerhin unterstützte er großzügig die prestigeträchtige New Yorker Metropolitan Opera. Aber: Auch dies war offenbar gelogen. Von den versprochenen 20 Millionen Dollar ist offenbar kein einziger angekommen, und die Vilar-Gedenkplatte an der Met wurde wieder abgeschraubt.

In Europa schließlich wurde das Bild vom reichen Onkel aus Amerika noch prallere Wirklichkeit: Das Londoner Royal Opera House, die Bayreuther Festspiele, die Salzburger Festspiele - alle wurden angeblich mit Millionenbeträgen aus Vilars Privatschatulle unterstützt.

Dies geschah in den Neunzigern, als aus dem moralischen Vorwurf, dass Geld nicht rieche, ein politisches Programm geworden war. Kaum ein Kulturschaffender getraute sich noch, Sponsorengelder wegen zweifelhafter Herkunft abzulehnen, wie dies in den achtziger Jahren gegen den Philip-Morris-Konzern noch erwirkt wurde. Nun mussten Theater ihre antikapitalistischen Lehrstücke mit privaten Renditegeldern finanzieren.

Veruntreut und betrogen

Mehr als 200 Millionen Dollar soll Vilar der Kultur gespendet haben - vielleicht wurden auch überhöhte Summen publiziert, um weitere Sponsoren anzulocken. Der Chef des Festspielhauses Baden-Baden Andreas Mölich-Zebhauser schwärmte noch 2009: "Alberto Vilar war für uns der erste große Förderer. 1998, als das Haus kurz vor der Pleite stand, rettete er mit einer Freikartenaktion das Gastspiel von Valery Gergiev."

Im Großen Festspielhaus von Salzburg dagegen verschwand Vilars Konterfei schon Anfang dieses Jahrhunderts, als die erste Blase des E-Business platzte. Festspielproduktionen waren gefährdet, weil zugesagtes Geld nicht eintraf. Vilars Vermögen beruhte ja vor allem auf dem mit seinem Partner Gary Tanaka 1979 gegründeten Investmentfond "Amerindo", der frühzeitig auf AOL und Yahoo gesetzt hatte.

2005 wurden Vilar und Tanaka verhaftet und gegen Kaution wieder entlassen. Letzten November nun wurden sie wegen Veruntreuung und Wertpapierbetrug verurteilt; das Strafmaß für Vilar, das im März 2010 verkündet werden sollte, wurde auf 20 Jahre anvisiert.

Sehr reales Schreckgespenst

Damals waren die Gemüter erhitzt von Betrugsaffären, die viele Rentner um ihre Alterssicherung gebracht und zur größten Wirtschaftskrise seit dem Krieg geführt hatten. Geprellte Investoren und blutende Steuerzahler wollten nun Köpfe rollen sehen.

Das US-Rechtssystem, in dem im Zweifel nicht immer von Haus aus zugunsten des Angeklagten entschieden wird, hat aber den großen Vorteil, dass Verurteilung und Zumessung des Strafmaßes zeitlich deutlich getrennt festgesetzt werden. Dennoch kam der Investmentjongleur nun mit neun Jahren Haft keineswegs glimpflich davon.

Der Vorzeigesponsor Vilar aber - lange Zeit willkommene Alibi-Lösung für viele Politiker - wird im Kulturbetrieb fortan als displaced person herumgeistern oder, wie die New York Daily News ihn bezeichneten, als disgraced opera swindler. Das klingt nach einem Musical-Titel und ist aber leider - im Zuge neoliberaler Privatisierungswut - für Kulturschaffende ein sehr reales Schreckgespenst.

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