Nachdem eine Gruppe von Anwälten, Sachverständigen und Entrümplern nun am 10. Februar Cornelius Gurlitts Haus in Salzburg geöffnet und durchsucht hatte, vermeldeten sie eine Sensation. 60 Kunstwerke seien in dem Anwesen gefunden worden, das der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt seit seinem Umzug nach München 2011 nicht mehr betreten hatte, darunter viele bedeutende Gemälde. Eben hatte das Interesse an der Arbeit der neu eingesetzten Taskforce und am juristischen Hickhack um die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmung von Cornelius Gurlitts Sammlung in München-Schwabing durch die Staatsanwaltschaft nachgelassen, da rüttelten seine Anwälte die Öffentlichkeit mit dem neuen Fund wach.
Doch die Geschichte war damit nicht zu Ende, wie man jetzt weiß. Zwei weitere Male kehrte das Kommando in das Haus zurück. Und fand, nach gründlicherer Suche und hinter "sperrigen und unbrauchbaren Gegenständen", wie es ein Beteiligter diskret beschreibt, noch erheblich mehr Kunstwerke. Insgesamt sind es nun 238. Es sind weniger als die 1280 in Schwabing beschlagnahmten Werke, doch der Wert der beiden Sammlungen könnte ähnlich hoch sein.
Der Schwabinger Kunstschatz liegt nach wie vor in einem Lager in München. Außer den Ermittlern und den Experten der Taskforce hat ihn bis heute niemand gesehen. Die winzigen, schlechten Reproduktionen im Verzeichnis von lostart.de sind die einzigen Existenzbeweise der Gemälde und der vielen kleinen Zeichnungen und Druckgrafiken.
Vom Salzburger Fund wusste man bisher gar nichts. Mehr als ein paar Namen haben die Anwälte, der Betreuer und der Sprecher von Cornelius Gurlitt bislang nicht genannt. Wenn auch sehr große: Renoir, Monet, Manet, Courbet, Corot, Liebermann. Bis jetzt - Anfang der Woche lud Gurlitts Team einige Journalisten nach Österreich, um ihnen erstmals einen Blick in diese verschollene Sammlung zu gewähren.
Der Ort, an dem sie jetzt lagern, hat so gar nichts gemein mit dem Häuschen im beschaulichen Salzburger Villenviertel. Als Gurlitts Berater den Treffpunkt durchgeben, sprechen sie von einem "Bunker". Doch Gurlitts Kunst liegt noch nicht im Bunker. Der befindet sich unter der Erde und ist für saubere Kunst bestimmt: Kunst, die nicht nur gründlich gereinigt und für ein langes Leben im Dunkeln konservatorisch behandelt wurde; sondern vor allem Kunst, an deren Herkunft und Besitzverhältnissen kein Zweifel besteht.
Gurlitts Bilder bleiben vorläufig im dritten Stock des unscheinbaren Hauses, in großen Betonräumen mit eigenem Waschbecken. Hier bewahrt man die Kunst auf, an der noch gearbeitet wird. Kunst, an der man sich die Hände schmutzig machen kann.
Wie im Krimi
Was man nun sieht, als sich am Ende des Korridors die lastwagenbreite Stahltür öffnet, lässt einen erschauern. Es ist wie im Fernsehkrimi, wenn die Leichen identifiziert werden. Nur zeichnen sich unter den weißen Papierbögen auf den vier großen Tischen keine Füße und Köpfe ab, sondern wuchtige Rahmen mit Werken, von denen die meisten seit Jahrzehnten niemand gesehen hat.
Gurlitts Sprecher Stephan Holzinger, der Spezialist für "Krisen, Rechtsstreitigkeiten und Reputationsmanagement", hebt einen der Bögen an und erlaubt einen Blick darunter: Es erscheint eine auf Kupfer gemalte Flusslandschaft, die durchaus von Breughel dem Älteren sein könnte. War nicht genau diese Bootslände eines der bestverkauften Motive in der Werkstatt des Antwerpener Landschaftsmalers? Hat nicht noch der Sohn Profit aus dieser Bildfindung gezogen? Wurde nicht 1999 ein auf 1607 datiertes Original in Wien wiederentdeckt?