Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf den Fotografen F. C. Gundlach:Meister der nahbaren Göttinnen

F. C. Gundlach hat das Kunststück fertiggebracht, im Nachkriegsdeutschland zugleich der führende Modefotograf und Chronist seiner Zeit zu sein. Jetzt starb er mit 95 Jahren.

Von Lothar Müller

Die Mode stellen wir uns gern als ein quecksilbriges Wesen vor, flüchtig und unstet, in den Tag verliebt, weil übers Jahr schon verblüht. Die Saison gibt das Zeitmaß vor, in dem sie ihre glänzenden Auftritte absolviert. Zum letzten Schrei gehört, dass er schnell verhallt. Generationen von Melancholikern haben die Flüchtigkeit der Mode als Sinnbild der Vergänglichkeit beschworen und hinter jeder Koketten nach dem dunklen Schatten gesucht.

Den Ernst des Lebens hatte der junge F. C. Gundlach schon hinter sich, als er von 1947 bis 1949 in der privaten Lehranstalt für Fotografie bei Rolf W. Nehrdich in Kassel seine Ausbildung absolvierte. 1926 im hessischen Heinebach geboren, war er 1944 in die Wehrmacht einberufen worden, in Kriegsgefangenschaft geraten und danach in einer Lungenheilanstalt gewesen. Mag sein, es war diese frühe Vertrautheit mit dem Ernst, aus der sein Temperament und sein Stil als Modefotograf hervorgingen. Es gibt in seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen die Schatten, schon um der Kontraste willen, aber diese Schatten haben nichts Allegorisches, dem Memento-mori-Pathos zeigen seine Modelle mal die kalte und mal die gar nicht so kühle Schulter.

Mit hinreißendem Schwung inszenierte F. C. Gundlach die Mode als Ausdruck der Lebenslust, und die Pointe dabei war: es mochten Stars sein, die vor seiner Kamera standen, bekannt aus Film und Fernsehen, aber unnahbare Göttinnen waren sie nicht. Weder Grit Hübscher, wenn sie in Film und Frau (Heft 18, 1955) in einer Berliner Nacht ihre Weißfuchsstola wie einen Königsmantel um sich schlägt, noch Nadja Tiller, wenn sie 1954 im eleganten, weit sich bauschenden Abendkleid auf einem Stuhl sitzt und ostentativ die Finger spreizt. Für den Witz der Pose sorgt nicht nur die Szenerie im großstädtischen Hinterhof in Berlin, sondern auch Walter Giller mit Strohhut und kariertem Schal.

Seit 1954 arbeitete Gundlach, der zuvor Assistent in Stuttgart und Paris gewesen war, regelmäßig für Film und Frau, 1956 zog er nach Hamburg, es war das Jahr, in dem er ein Model in einem Silberfuchscape auf ein Schiffsdeck stellte, den Blick ins Weite gerichtet, neben sich den Rettungsreifen. Sein Kollege Herbert Tobias, der große Mythologisierer, mochte aus seinen Modellen Engel machen, deren Gewänder sich auf dem Kurfürstendamm zu Flügeln bauschten. F. C. Gundlach spielte lieber mit dem Irdischen. Mit einem Augenzwinkern machte er aus dem Silberfuchscape auf dem Schiffsdeck ein Seitenstück zu den Schlagern der Fünfzigerjahre - mit dem kleinen Unterschied, dass die Frau in der Stola eher selbstbewusst-skeptisch als sentimental in den Nachthimmel blickte.

Seine Künstlerporträts bilden eine Zeit-Galerie für sich

Gundlach war ein Kind der Prêt-à-porter-Ära, der modernen Materialien wie Perlon, der Symbiose von Mode und Konfektion. Mit dem gleichen Selbstbewusstsein, mit dem sie die großen Monumente der antiken Vergangenheit - seien es die ägyptischen Pyramiden oder die Tempel von Agrigent - zur Kulisse für die Präsentation von Hüten oder Badekappen machen, inszenieren sie ihre Gegenwart: den beginnenden Ferntourismus, das Mobilitätsversprechen rund um die Avus-Rennstrecke, die Tanztees und nicht zuletzt die dunklen Sonnenbrillen und die Jazzkeller. Gundlach hat neben Stern und Quick auch für Twen fotografiert. Er hat das Kunststück fertiggebracht, zugleich Modefotograf und Dokumentarfotograf der Bundesrepublik in jener Epoche zu sein, in der sie aus der Nachkriegszeit heraustrat. Seine Künstlerporträts, von Zarah Leander und Hildegard Knef und Romy Schneider, als sie nicht mehr Sisi sein wollte, bis zu Martin Kippenberger, bilden eine Zeit-Galerie für sich.

Modern war nicht nur seine Bildsprache, sondern auch die Infrastruktur, in die er seine Fotografien einbettete. Ihr festes Fundament war das Bündnis mit dem Magazinjournalismus in der Pressemetropole Hamburg, ab Mitte der Sechzigerjahre vor allem die enge Bindung an die Redaktion der Brigitte. Hinzu kam die extensive Reisetätigkeit, die er durch geschickte Verträge mit der Lufthansa absicherte. Das Hochglanzpapier machte er zu seinem Parkett. Und er begriff früh, dass die Fotografie, wenn sie dauerhaft aus dem vergänglichen Kontext des Magazinjournalismus heraustreten will, ihre Archive braucht, und zudem Ausstellungsräume, Museen. 1975 gründete er in Hamburg die "PPS-Galerie F. C. Gundlach", die ausschließlich der Fotografie gewidmet war. Mehr und mehr war er nicht nur Fotograf, sondern zugleich Historiker und Archivar der Fotografie des zwanzigsten Jahrhunderts. Seit den Achtzigerjahren hat er zahlreiche Ausstellungen zur Fotografie vor allem der Fünfzigerjahre organisiert und mit klugen Kommentartexten versehen, im Jahr 2000 die "Stiftung F. C. Gundlach" gegründet.

Für seinen Nachruhm ist gesorgt. Vor Kurzem gab die Stadt Hamburg bekannt, dass das "Haus der Photographie" in den Deichtorhallen grundlegend saniert wird, vorgesehen sind dabei auch zusätzliche Flächen für die Sammlung F. C. Gundlach. Derzeit zeigt die F.C. Gundlach Stiftung in der Elbschloss-Residenz Hamburg die Ausstellung "F.C. Gundlach at work". Anlass der Ausstellung war sein 95. Geburtstag in diesem Juli. Nun ist er kurz nach diesem Geburtstag am vergangenen Freitag, wie seine Stiftung mitteilte, in Hamburg gestorben.

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