Experiment:Zitternde Himmel

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Die Antike im Blick: "Sixty Six" von Lewis Klahr. (Foto: Underdox)

Antike Götter in Los Angeles: Mit Lewis Klahrs poetischem "Sixty Six" startet das elfte Underdox-Filmfestival in München. Kino-Alchimie!

Von Fritz Göttler

Eine Rückkehr ins Silberne Zeitalter verspricht das diesjährige Underdox-Festival, das von diesem Donnerstag an in München stattfindet (Werkstattkino, Filmmuseum, Neues Maxim, Theatiner). Ins Zeitalter von Silbernitrat und Silver Screen, eine Kino-Alchimie, wie man sie aus den Jahren vor der digitalen Wende kennt und liebt. "The Silver Age" heißt eins der zwölf Kapitel im Eröffnungsfilm "Sixty Six" vom Animationskünstler Lewis Klahr (erst 16mm, später dann Computer): Zwölf Monate in der Traumstadt Los Angeles, im Jahr 1966, in zwölf Kapiteln, die so dicht sind wie die achtzehn bei James Joyce, als er seinen Helden Leopold Bloom an einem Tag durch Dublin schickte. Der Film ist ein atemraubender Wirbel von Flash-Comics, Superhelden und -models, Privatdetektiv-Silhouetten in legendärer Westküsten-Architektur, in der Innen und Außen ineinander übergingen, und natürlich Roy Lichtenstein. Und in und zwischen allem: die großen Figuren und Mythen der Antike, von Helen of T. bis Mercury.

Klahr ist bei der Vorführung am Donnerstag anwesend.

Dass einem erst mal Sehen und Hören vergehen sollte, damit man den Blick frei kriegt für kühne und beflügelte Gedanken, das ist die Lektion, die das Underdox-Filmfestival von Dunja Bialas und Bernd Brehmer uns lehrt. Bei der elften Auflage wartet es mit einem Hardboiled-Programm zwischen Dokumentation und Experiment auf. Der Eröffnungsfilm von Lewis Klahr hat noch ein schönes Motto für das Festival parat, von dem surrealistischen Gespann Paul Eluard und André Breton: "Lass die Träume, die du vergessen hast, so viel gelten wie das, was du nicht weißt."

Schon die Titel lesen sich manchmal wie Landkarten in unbekannten Kino-Terrains: "The Sky Trembles and the Earth is Afraid and the Two Eyes are not Brothers" (von Ben Rivers) oder "Informe General II - El Nuevo Rapto de Europa" von Pere Portabella, "Vapour" von Apichatpong Weerasethakul und "Atlal" von Djamel Kerkar - die meisten Filmemacher sind nicht zum ersten Mal beim Festival vertreten.

Das Kino gibt in diesen Underdox-Tagen das Erzählen auf, es wird Performance, die alle Sinne fordert und keine Risiken scheut. "UFE/Unfilmevenement" heißt eine Produktion von César Vayssié, da lässt er junge Menschen ihre Körper erproben, spielerisch ernst, wie man es von Jacques Rivette kennt, keine Tanzprofis, sondern Amateure, die manchmal einiges einstecken müssen. Am besten, hat Lewis Klahr gesagt, bin ich, wenn ich eine Regel breche, die ich mir selbst gesetzt habe. Auch die Underdox-Leute sind am besten, wenn sie so vorgehen.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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