Eurovision Song Contest:Keine Lust am Untergang

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Österreich verabschiedet sich vom Eurovision Song Contest. Nicht, weil es zu den erfolglosesten Nationen des Grand Prix gehört - sondern weil der Wettbewerb ungerecht politisch geworden sei.

Thomas Steinfeld

Wer wissen will, wie es gegenwärtig um die europäische Einheit steht, muss nicht nach Brüssel schauen oder polnischen Grenzbeamten zuhören, die sich von ihren deutschen Kollegen nicht verstanden fühlen. Es genügt, sich gelegentlich mit Unterhaltungsmusik zu beschäftigen:

In diesen Tagen hat sich der ORF, der öffentlich-rechtliche Fernsehsender Österreichs, aus dem Eurovision Song Contest, dem europäischen Schlagerwettbewerb, verabschiedet. Niemand wird im kommenden Jahr für Österreich singen. Ob das gesamteuropäische Spektakel in Österreich ausgestrahlt wird, steht noch dahin.

"Der Song Contest zeigt deutlich negative Erkennungsmerkmale einer komplizierten europäischen Vereinigung", erläutert Edgar Böhm, der verantwortliche Abteilungsleiter des ORF, diesen Schritt: "Solange der Song Contest kein internationales Unterhaltungsprogramm, sondern ein politisches Exerzierfeld ist, will der ORF nicht weiter Talente aus Österreich in ein chancenloses Rennen schicken. Sollte sich die Situation ändern, sind wir aber gern wieder dabei."

Damit will er sagen, dass seit dem Jahr 2001 keines der alten Austragungsländer mehr in dieser Veranstaltung gewonnen hat.

Ein schöner Gedanke indes: Wir machen nur mit, wenn wir gewinnen können. Das aber gelang Österreich nur einmal, und der Sieg ist schon alt. Udo Jürgens gewann den Wettbewerb im Jahr 1966 mit "Merci, chérie". Neben Belgien und Norwegen ist Österreich die erfolgloseste Nation in der Geschichte dieser Veranstaltung. Solche Erinnerungen aber belasten den Abteilungsleiter nicht.

Denn er ist überzeugt: Es werde nicht mehr nach der "Qualität der Beiträge" entschieden, sondern nach "ihrer Herkunft". Im Klartext: Die osteuropäischen Länder stimmen alle füreinander, während sie doch eigentlich dazu bestimmt gewesen waren, die Reichweite eines österreichischen Erfolgs zu vergrößern.

Genauso aber geht es in einer Europäischen Union zu, in der die einzelnen Staaten nicht nur unmittelbar gegeneinander konkurrieren, sondern die sich, eben weil sie einen Teil ihrer Souveränität an eine allen übergeordnete Organisation abgetreten haben, auch noch im Wettbewerb um die Erträge der Gemeinsamkeit befinden. Mit sehr gemischten Ergebnissen: Denn je erfolgreicher die neuen Mitgliedsländer in ihrem Bemühen sind, einen größeren Teil des europäischen Reichtums auf Kosten der westlichen Staaten zu sich zu locken, desto mehr dürfen sich die alten Länder als Opfer ihres eigenen Werks betrachten - als betrogene Altruisten. Und umso mehr werden wiederum die osteuropäischen Staaten als Block auftreten.

Folgt man Tim Moore, dem Autor eines heiteren Buches über die größte Niederlagen des Schlagerfestivals ("Nul Points". London, Vantage Press 2007) scheint das österreichische Ungeschick allerdings System zu haben. Mehr als einmal ging Österreich mit null Punkten aus dem Wettbewerb: im Jahr 1988 zum Beispiel, als der Kraftjodler Wilfried antrat, oder drei Jahre später, als Thomas Forstner "Venedig im Regen" ausgerechnet in Italien singen musste. Als der weniger singende als vielmehr bellende "Extrem-Entertainer" Alf Poier im Jahr 2003 mit musizierenden Tieren aus Pappe auftrat, erreichte Österreich indessen den sechsten Platz.

Irgendwann scheinen die regelmäßigen Untergänge den Österreichern also gleichgültig gewesen zu sein. Eine bessere Verteidigung durch die Bedrohung aus dem Osten dürfte es nicht geben.

© SZ vom 27.11.2007/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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