"Eternals" im Kino:Schlachtfeld Erde

ETERNALS; Elternals, con Chloé Zhao

Kumail Nanjiani als Kingo in einer Szene von "Eternals".

(Foto: Marvel Studios)

Die Oscar-Gewinnerin Chloé Zhao ist für ihre stillen Dramen berühmt. Jetzt hat sie den Superheldenfilm "Eternals" gedreht. Kann das gutgehen?

Von Tobias Kniebe

Manche Filmpläne sind so verrückt, dass man ihnen spontan die Daumen drückt. Zum Beispiel wenn Chloé Zhao, die amtierende, aus China stammende und in Amerika arbeitende Oscargewinnerin, plötzlich beschließt, mit den Marvel Studios einen Superheldenfilm zu drehen.

Zhaos Kino war bisher weltenweit vom Blockbustergetöse der Gegenwart entfernt. Es bestand daraus, das prekäre Leben der Native Americans in South Dakota zu begleiten und dort stille, beinah dokumentarische Geschichten zu finden. Oder, wie in "Nomadland", mit Frances McDormand das von Armut gezeichnete moderne Nomadenleben auf den Highways der USA zu erkunden.

Kaum aber wollte man Zhao zur letzten Stimme des romantisch überhöhten Realismus erklären, der in Amerika eine große Tradition hat, platzte die Marvel-Nachricht dazwischen. Zunächst mit der Ansage, dass die milliardenschweren Verwalter des Comic-Reichs ein weiteres Team aus dem Fundus ihrer Superhelden ins Kino bringen wollen: die "Eternals". Ins gequälte Aufstöhnen der Kritiker - wer bitte braucht zu diesem Zeitpunkt der Filmgeschichte neue Superhelden? - fiel der verheißungsvolle Nachsatz: Chloé Zhao wird Regie führen.

Die Diversität ist natürlich gut gemeint, aber am Reißbrett entworfen - und das merkt man dem Film auch an

Und also sitzt man doch wieder gespannt im Vorab-Screening und hofft auf Überraschungen. Die gibt es dann auch, aber nicht unbedingt positiver Art. Gleich in den ersten Minuten wird das extraterrestrische Superheldenkollektiv in seiner Gesamtheit eingeführt. Das sind dann sage und schreibe zehn Figuren, die alle über magische Kräfte verfügen und außerdem unsterblich sind. Siebentausend Jahre vor Christus schweben sie im frühgeschichtlichen Mesopotamien auf die Erde herab und posieren vor den Augen der staunenden Mesopotamier in einer Art Familienaufstellung.

Es führt echt zu weit, all die seltsamen Rollennamen und Superkräfte und die dazugehörigen Schauspieler aufzuzählen, unter denen auch Salma Hayek, Angelina Jolie und Richard Madden sind. Wichtig ist der Eindruck totaler Diversität: Da gibt es die britisch-asiatische Materie-Verwandlerin, den pakistanisch-amerikanischen Energieball-Schleuderer, das schwule afroamerikanische Plus-Size-Erfindergenie, die koreanisch-amerikanische Donnerfaust und die gehörlöse schwarze Superspeed-Amazone. Und das ist erst die Hälfte.

Das soll natürlich bunt und hoffnungsfroh aussehen, der Abglanz einer von allen Wohlmeinenden gewünschten, wirklich jeden repräsentierenden Zukunft. Und doch wirkt es, so offensichtlich berechnet und austariert, wie es ist, irgendwie leblos, als wäre alles am Reißbrett entworfen. Kopfgeburten aus einer Drehbuchwelt des Gutgemeinten, in der erst einmal alle vorab festgelegten Kriterien erfüllt sein müssen, bevor es mit der Geschichte überhaupt losgehen darf. An dieser Leblosigkeit kann auch Chloé Zhao nichts ändern.

Der Rest des Films folgt dann bekannten Marvel-Formeln: Es gibt böse Kreaturen, Deviants genannt, die aussehen wie Monster aus regenbogenfarbenem Korbgeflecht. Und es gibt die Eternals, die auf der Erde sind, um diese Deviants immer wieder neu zu besiegen. Das kann 7000 vor Christus in Mesopotamien sein, in den Hängenden Gärten von Babylon fünftausend Jahre später, im indischen Gupta-Reich um 400 nach Christus oder auch im gegenwärtigen London. Immer geht dann viel zu Bruch, und die Menschen aller Jahrtausende staunen sehr, von wem sie da gerettet werden.

"Eternals" im Kino: Chloé Zhao, die amtierende, aus China stammende und in Amerika arbeitende Oscar-Gewinnerin.

Chloé Zhao, die amtierende, aus China stammende und in Amerika arbeitende Oscar-Gewinnerin.

(Foto: Vianney Le Caer/AP)

Irgendwann stellt sich die Frage, ob die Menschheit als solche die Rettung überhaupt verdient, dieses Thema treibt die "Fridays for Future"-Fraktion bei Marvel schon länger um. Die unsterblichen Eternals müssen ja alle Kriege und Grausamkeiten der Geschichte mitansehen, bis hin zum Atombombenabwurf in Hiroshima, und dabei kann man ins Zweifeln kommen. Die Antwort heißt am Ende aber Ja, aus zwei Gründen: Weil es inzwischen tolle schwule Paare gibt, die glückliche Kinder großziehen und sich vor der Kamera küssen, und weil es die "Avengers" gibt, die es einfach nicht auf sich sitzen lassen, wenn jemand die Hälfte der Menschheit auslöscht.

Auch unsterbliche Kampfmaschinen können unter posttraumatischer Belastungsstörung leiden

Dieser letzte Punkt hat eine gewisse Komik, weil die "Avengers" und die von ihnen gerettete Hälfte der Menschheit ja Figuren und Ereignisse aus dem Marvel-Universum sind, die in den vorangegangenen Marvel-Blockbustern erzählt wurden. Als Letztbegründung, warum es mit unserer Erde weitergehen muss, produziert das einen Zirkelschluss: Das Marvel-Universum ist nun mal geil, also darf es nicht enden, also muss es sich weiter ausdehnen. Wie alle Universen kennt es offenbar nur Ausdehnung oder Kollaps. Ob allerdings beim Kollaps (der rein kosmisch betrachtet unvermeidlich ist und also irgendwann kommen muss) ganz Hollywood mit in ein Schwarzes Loch gerissen wird?

Sucht man in "Eternals" nach Szenen, in denen man die spezielle Sensibilität der Regisseurin Chloé Zhao spürt, findet man leider fast nichts. Obwohl, eine Sequenz vielleicht, die ist wirklich etwas anders. Sie betrifft die von Angelina Jolie gespielte Superheldin Thena, die man sich wie die antike Kriegsgöttin Athena vorstellen darf, nur eben ohne das einführende A. Thena schwingt Schwerter, Streitäxte und Kriegsbeile aus reiner kosmischer Energie, die alles zerschlitzen, was sich ihr in den Weg stellt. Sie ist eine sehr effiziente Kriegerin, aber sie ist auch verrückt.

In episodischen Anfällen weiß sie plötzlich nicht mehr, wer Freund oder Feind ist, und metzelt im Wahnsinn fast ihre "Eternals"-Kameraden nieder, die nur dank eigener Super- und Selbstheilungskräfte überleben. Die Idee, dass vielleicht auch solche Figuren unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, dass unsterbliche Kampfmaschinen im Kopf kaputtgehen können - das fühlt sich irgendwie neu an und spannend. Jemand sollte das zum Kern einer ganzen Geschichte machen. Was dann wieder ein Filmplan wäre, dem man in seiner Verrücktheit sofort die Daumen drückte.

Eternals, USA 2021 - Regie: Chloé Zhao. Buch: Zhao, Patrick Burleigh, Ryan Firpo, Kaz Firpo. Kamera: Ben Davis. Mit Angelina Jolie, Salma Hayek, Richard Madden, Gemma Chan, Kumail Nanjiani, Lauren Ridloff, Brian Tyree Henry. Verleih: Disney, 157 Minuten. Kinostart: 04.11.2021.

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