Erwin-Wurm-Ausstellung:Was für ein Wurm

Symbole gemütlicher Dümmlichkeit, ironische Abbilder einer Welt, die aus dem Leim geht: Die wunderbar aufgeblasene Welt des Erwin Wurm im Münchner Lenbachhaus - in Bildern.

Inga Ehret

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Symbole gemütlicher Dümmlichkeit, ironische Abbilder einer Welt, die aus dem Leim geht: Die wunderbar aufgeblasene Welt des Erwin Wurm im Münchner Lenbachhaus - in Bildern.

Eine Kunst mit Beipackzettel, wie bei Arzneimitteln: Erwin Wurm hat eine Gebrauchsanleitung für eines seiner Kunstwerke mit dünnem schwarzen Stift auf rosafarbene, runde Sockel gekritzelt. "Bitte das Podest betreten und die Skulptur nach Anweisung realisieren", heißt es zum Beispiel. Werkstoff dieses nach Vorgabe zu verwirklichenden Kunstwerks: der Mensch, der sich die Hand in den Schritt steckt, die schlaffe Zunge aus dem Mund hängen lässt oder seine blanke Stirn gegen eine hölzerne Stuhllehne presst und mit eingefrorener Mimik, stier dreinblickend, in dieser skurrilen Pose verharrt - genau 60 Sekunden lang.

Text: Inga Ehret/SZ vom 20.10.2009/sueddeutsche.de/rus

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Unversehens beschleicht einen beim schadenfrohen Zusehen und Fremdschämen auch gleichzeitig die Ahnung, dass man vielleicht gerade selber zum Kunstwerk geworden, zum Artefakt umgepolt wurde, ohne es gemerkt zu haben. Die Kunst lauert hier buchstäblich überall.

Foto: ddp

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Wurms "One-Minute-Sculptures", die die Statuarik und Ernsthaftigkeit der traditionellen Skulptur unterminieren, haben den Österreicher bekannt gemacht. Sogar Claudia Schiffer steckte sich für ihn soeben noch in der Vogue, in alterümlichem Ambiente, auf abgewetztem Seidensofa Schreibgerät zwischen die Zehen. Andere bohrten sich ein Stuhlbein ins Auge oder posierten mit Spargelstangen in den Nasenlöchern - selbst die Red Hot Chili Peppers ließen sich einmal für ein Video von Wurm inspirieren. Eine Schau im Kunstbau München widmet sich nun Erwin Wurms vielfältigem Umgang mit dem Medium Skulptur.

Foto: Künstler des Jahres 2007/Erwin Wurm / © VG Bild-Kunst, Bonn

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Ausschließlich dreidimensional erfasst der Österreicher seine Welt - in seiner Arbeit vermählen sich Readymade, Körperkunst, Performance und die Tradition der Groteske. Das Spiel mit Masse, Volumen und Oberfläche, mit Dekonstruktion und Deformation, das Misstrauen in die festgelegte Form führt an die Grenzbereiche klassischer Skulptur, überschreitet sie und lässt überholte Kategorien erneut ineinanderfließen.

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So präsentieren sich auch in München Wurms Werke als Kuriositätenkabinett, gleichberechtigt nebeneinander auf ein weißes Podest gepflanzt. Wie ein Laufsteg für Werke und Betrachter hat Kurator Helmut Friedel die schimmernde Fläche zwischen die Wände der schlauchartigen Architektur des Kunstbaus eingeklemmt. Auch zweidimensionale Fotografien werden nicht an die Wände gehängt, sondern in der Horizontalen präsentiert. Rund 50 Arbeiten sieht man hier: herrisch aufgestellte Extremitäten, bekleidete Kästen auf Beinen, gestrickte Uniformen über kantiger Geometrie. Merkbar ist, dass Wurm sich neuerdings vom performativen Charakter der "One-Minute-Sculptures" wegbewegt, sich wieder mehr der statuarischen Plastik verschreibt.

Foto: Untitled (Hamlet), 2007/2009/Erwin Wurm/© VG Bild-Kunst Bonn, 2009

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Die ganz großen Formate fehlen im Münchner Kunstbau: Landete auf dem Dach des Wiener Museums für Moderne Kunst noch ein komplettes Einfamilienhäuschen, wirken Wurms Arbeiten in München gleichsam auf Diät gesetzt. Auch die überdimensionalen Arbeiten der "Fat"-Serie mit ihren sprechenden Autos und aufgeblähten Häusern haben im Kunstbau keinen Platz gefunden. Statt fetter Makrowelt gibt es hier allenfalls deformierte Miniaturen.

Foto: Erwin Wurm bei der Ausstellungseröffnung in München/dpa

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"Mind bubbles" nennt Wurm die kartoffelförmigen, plump wirkenden, aufgeblasenen Ungetüme, die er in biedere Pullover gesteckt hat, Symbole gemütlicher Dümmlichkeit. Wurms adipöser Adorno muss sich ebenfalls auf das Körperliche reduzieren lassen. Er ist bis auf die Gürtellinie seiner Bundhose zusammengestaucht, sitzt wie aufgegangener Hefeteig da - geplättet und verfettet von seinen eigenen Kopfgeburten?

Foto: Anger bump, 2007/Erwin Wurm/ © VG Bild-Kunst, Bonn

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Die Form und ihre Deformationen, ja selbst die "One-Minute-Sculptures" folgen bei Wurm immer auch dem ironischen Abschildern einer Welt, die aus dem Leim geht: Ein winziges, aber mit aufgeblähten Wülsten fast aus den Nähten platzendes pinkfarbenes "fat car" sieht aus wie das automobile Äquivalent der Wohlstandsplautze.

Foto: Fat Convertible, 2004/Erwin Wurm//© VG Bild-Kunst, Bonn

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Und der Taschenfabrikant darf sein Produkt selbst artig apportieren, wie ein Hündchen. Wurm verleibt sich die Welt ein und spuckt sie in Form von Gedanken- und Körperblasen wieder aus. Noch das Selbstporträt des Österreichers balanciert als handelsübliche Essiggurke im Raum und bemüht sich um Haltung. Diese Kunst will erst mal verdaut werden.

Erwin Wurm, Lenbachhaus München, bis 31. Januar 2010. Katalog (DuMont) 39,95 Euro. Info: www.lenbachhaus.de

Foto: Der Taschenfabrikant, 2003/Erwin Wurm / © VG Bild-Kunst, Bonn

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