Erotikthriller "Passion" im Kino:Böser Witz

Film "Passion" mit Noomi Rapace im Kino

Noomi Rapace (rechts) und Rachel McAdams in "Passion".

(Foto: Ascot Elite Filmverleih)

Männer sind die Nutten in den Liebesspielen dieses Films - und Frauen Konkurrentinnen bis in den Tod: Regisseur Brian De Palma läuft in seinem neuen Film "Passion" zu Höchstform auf. Vor Berliner Kulisse inszeniert er eine Fashion-Show des Begehrens und einen Zickenkrieg zwischen Noomi Rapace, Rachel McAdams und Karoline Herfurth.

Von Fritz Göttler

Männer sind die Nutten in den Liebesspielen dieses Films. Sind den Frauen zu Diensten, und haben all die nötigen technischen Accessoires dafür in der Schublade. Bis hin zu einer kalkweißen, weißhaarigen Maske, die ans japanische Kabuki erinnert und den Liebhaber zum erotischen Phantom macht.

Seit 2007 hat Brian De Palma keinen Film mehr gedreht, seit "Redacted", da ging's um Männer an der Front, eine Travestie auf den Irakkrieg, die vor allem sarkastisch mit den Formen spielte, in denen Krieg zur Darstellung kommt.

Nun, in "Passion", zeigt er Frauen untereinander, in scharfer Konkurrenz, wie sie sich begehren und beneiden, anhimmeln und lieben, schikanieren und hassen - die blonde Rachel McAdams, die dunkle Noomi Rapace, die rothaarige Karoline Herfurth. Und bei dem, was zwischen ihnen passiert, kommt einem der Titel des Films meistens wie ein Witz vor, ein böser Witz, zugegeben.

Sicher ist nur, dass De Palma sie mit jener bewährten Mischung aus lustvoller Begeisterung und kräftigem Zynismus filmt, die in den Siebzigern und Achtzigern sein Markenzeichen wurde. I think we make a really good team, sagt die eine mal zur andern, und das gilt erst recht, wenn sie zickig werden und anfangen, einander zu bekriegen.

"Passion" spielt in der globalen Business-Postmoderne, mit ihren wabenförmigen Konstrukten, wo die einzelnen Arbeitsbereiche ineinander übergehen und man durch die einzelnen Fenster auf das ganze Spektrum Berliner Stadtansichten blicken kann, der letzte Rest von Privatheit weg ist - auch deshalb, weil immer und überall und aus allen möglichen Perspektiven nun aufgenommen wird und manches, kompromittierend oder einfach peinlich, auf einem der Laptops landen könnte.

Der Pseudowelt verfallen

Gedreht wurde, wegen des deutschen Fördergeldes, am Potsdamer Platz, wo Berlin echt mithalten kann mit all den anderen Glitzer-Fake-Metropolen der neuen architektonischen Monotonie. Die Geschichte spielt in einer internationalen Werbefirma, in der die Frauen die Kreativen sind und die Arbeit machen; Rachel McAdams führt den Betrieb, aber nach den Direktiven und unter den Augen der oberen Langweiler in London, die immer wieder per Skype zugeschaltet werden.

In so gut wie jeder Einstellung mokiert De Palma sich kräftig, wie einfältig gerade die Werbebranche, die sich ihrer manipulatorischen Raffinesse rühmt, der Pseudowelt verfallen ist, die sie kreiert, und wie plump sie ihr eigenes Auftreten inszeniert, als Lebenskunst.

Wie McAdams sich zur intellektuellen Blondine hinstilisiert, antike Bilder an den Wänden ihres Hauses, eine Badewanne mit Bildschirm anmontiert. Nur Herfurth gibt sich ungeniert wild, fast animalisch, trägt knappste Pants und klebt Bildchen an die Wand ihres Büro.

Gezwungen zum Äußersten

McAdams zieht ihre großäugige treue Mitarbeiterin Noomi auf ihre Seite, animiert sie, beruflich und emotional, beutet sie dann aus, um das eigene Weiterkommen zu garantieren, demütigt sie, setzt sie unter Druck, zwingt sie damit zum Widerstand, zum Äußersten. De Palmas Frauen sind immer noch ziemlich bitchy, leider auch begriffsstutzig und naiv. Was das Zusammenwirken im Team angeht: You have talent, I made the best use of it.

De Palma hat seine Vorlage, Alain Corneaus Film "Crime d'amour" von 2010, radikalisiert, brutalisiert. Sein Film ist von gnadenloser Künstlichkeit, eine Fashion-Show des Begehrens.

Einmal nimmt McAdams Noomi mit auf eine Modenschau, da müssen die Mannequins mit höchsthackigen Dingern an den Füßen sich über den Laufsteg quälen, die den Kothurnen antiker Schauspieler oder japanischer Geishas gleichen, und eine stolpert und stürzt und wird vom Designer-Zampano gemein ausgeschimpft und heimgeschickt. Also lässt auch McAdams Noomi so ein Paar anpassen, rot und kompakt, und damit an den Füßen muss sie dann auf den großen Empfang am Abend, Dorothy in einem modernen Glamour-Oz.

Der Film zeigt De Palma zurück in Bestform, die Seiten wechselnd von Szene zu Szene, Verdoppelungen schaffend (inklusive dubioser Zwillingsschwester), Reflexionen mit Gegenreflexionen konfrontierend, die Grenze ignorierend zwischen Wirklichkeit und Traum.

Rückzug in die reine Bewegung

Ein Kino, in dem alles am Ende Travestie ist, sodass auch brave deutsche Schauspieler sich darin zurechtfinden. Von der Travestie sagt Barthes, dass sie im Westen an sich in schlechtem Ansehen steht, kaum geduldet wird, als Übertretung gilt.

Doch das Kino weiß sie zu schätzen, De Palma lässt uns zuschauen, wie Frauen selber sich inszenieren, nicht nur dem männlichen Blick, lässt sie als Verlangen phantastischer Sinne figurieren, als Illusionen, die blauen kalten Augen entsprangen. Und am liebsten zieht er sich immer noch in die reine Bewegung zurück, diesmal in den "Nachmittag eines Fauns". Eine magnetische Performance des Debussy-Stücks, in der sich während des Tanzes plötzlich ein Auge groß ins Bild schiebt, in split-screen, eine zweite Bühne entsteht, ein "Vorhang auf" zur großen Urszene. Zum Mord.

Passion, F/D 2012 - Regie, Buch: Brian De Palma. Nach dem Film "Crime d'amour" von Alain Corneau. Zusätzliche Dialoge: Nathalie Carter. Kamera: José Luis Alcaine. Musik: Pino Donaggio. Mit: Rachel McAdams, Noomi Rapace, Karoline Herfurth, Paul Anderson, Rainer Bock, Benjamin Sadler, Dominic Raacke. Ascot Elite, 97 Minuten.

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