Ernst Fuchs gestorben:Abschied von einem Lebenskünstler

Ernst Fuchs mit seiner Bilderbibel

Ernst Fuchs mit einem der Bücher, die er knallbunt illustriert hat.

(Foto: Bernd Weissbrod/dpa)

Monströse Buntheit als Flucht aus der Moderne: Der Wiener Maler und Bühnenbildner Ernst Fuchs brachte die Nachkriegszeit zum Staunen. Nun ist er gestorben.

Von Gottfried Knapp

Wenn es ihn nicht höchst real gegeben hätte, hätte man ihn erfinden müssen: Ernst Fuchs, den Mann, der sich als Künstler und Lebensgestalter so ziemlich alles zutraute. Dabei hatte er, der 1930 in Wien als Sohn eines jüdischen Altwarenhändlers und einer katholischen Näherin geboren worden ist, eigentlich nur Malerei studiert - und auch die recht einseitig.

Schon während seines Studiums, das er als Fünfzehnjähriger bei Albert Paris Gütersloh begann, hat er sich fast ausschließlich mit den malerischen und grafischen Techniken der Alten Meister, mit altkatholischen und altjüdischen Mythologien und immer wieder mit astrologischen und esoterischen Theorien beschäftigt.

Der Maler Fuchs fahndete nach einem "Verschollenen Stil"

Er interessierte sich also nicht für das, was die berühmten Zeitgenossen schufen. Die Ergebnisse dieser Flucht aus den Zwängen der Moderne haben in der Nachkriegszeit viele Menschen, die von der Kunst eine Botschaft erwarteten, beeindruckt.

Ja das Bedürfnis nach einer Malerei, die etwas zu erzählen hat und Geheimnisse zelebriert, scheint damals in Wien so groß gewesen zu sein, dass gleich fünf Maler - neben Fuchs noch Arik Brauer, Anton Lehmden, Rudolf Hausner und Wolfgang Hutter - hohe Preise für ihre ausgeklügelt rätselhaften und offensichtlich mit Inbrunst gemalten Kompositionen verlangen, ja mit diesen Honoraren fast fürstliche Malerexistenzen aufbauen konnten.

Schon 1948 haben sich die fünf gleichgesinnten Meister publikumswirksam und geschäftstüchtig zur "Wiener Schule des Phantastischen Realismus" zusammengetan. Und auch in Paris, wo Fuchs anschließend zwölf Jahre lang lebte und mit Surrealisten Kontakt hatte, fanden sich damals begeisterte Verehrer, die den Mann, der nach einem "Verschollenen Stil" fahndete, als späten Vertreter des Symbolismus bestaunten.

Dieser Künstler ist nicht an den Möglichkeiten der Malerei interessiert

Sieht man sich die malerischen Arbeiten von Fuchs heute an, kann man sich eines leichten Widerwillens gegen die monströs laute Buntheit der Kompositionen, die manieristischen Verzerrungen der überdeutlich herausgestellten Körper, die schablonenhaft geschönten Gesichter und gegen die schwülstige Weihe, von der alle Figuren umgeben sind, nicht erwehren. Auch irritiert das schroffe Nebeneinander von übergenau herauspräparierten Details und flüchtig, ja schlampig gepinselten großen Flächen.

Man merkt: dieser Künstler ist eigentlich nicht an den Möglichkeiten der Malerei interessiert, sondern nur an den Möglichkeiten, das Publikum mit erfundenen Welten zu verblüffen und mit hohen Gefühlen zum Staunen zu bringen oder zur Abscheu zu zwingen.

Sein Gestaltungsehrgeiz mündete schließlich in die Architektur

So tendierte die Kunst von Fuchs immer schon über die Malerei und die Grafik hinaus in Richtung Skulptur und Architektur. Erst im Raum wurde sie sich ihrer Wirkung bewusst. Theaterleute scheinen das gespürt zu haben. Und so wurde Fuchs immer wieder eingeladen, Bühnenbilder für vermeintlich passende Opern zu gestalten. Münchner werden sich noch an den Skandal erinnern, den die gigantische Geldsumme ausgelöst hat, die Fuchs für sein "Lohengrin"-Bühnenbild im Münchner Nationaltheater verlangt und erhalten hat.

Wie bei seinem Wiener Altersgenossen Friedensreich Hundertwasser mündete auch bei Fuchs der Gestaltungsehrgeiz schließlich in die Architektur. Dass er die prächtige Privatvilla des großen Wiener Architekten Otto Wagner gekauft, mustergültig restauriert und als Fuchs-Museum für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, ist hoch zu loben. Dem bombastischen "Nymphäum Omega", das er dort im Garten errichtet hat, wird man immerhin noch zugestehen, dass es den Stil Wagners ins Dekorative übertreibt. Aber in einem von Fuchs an Decken und Wänden lückenlos ausgemalten Kapellenraum kann man nur klaustrophobisch reagieren.

An diesem Montag ist Ernst Fuchs im Kreis seiner riesigen Familie friedlich in Wien verstorben.

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