Ernährung und Sprache:Sagt nicht Wurst, wenn ihr nicht Wurst meint

Salamitheke Salami Wurst

Wer auf vegetarischen Produkten "Wurst", "Burger" oder "Steak" liest, denkt an Fett-Marmorierung und rosafarbene Flanken - und wird dann zwangsläufig enttäuscht.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein "Veggie-Burger" ist sicher viel - aber eben kein Burger. Zeit also, Fleischersatz endlich anders zu nennen. Denn erst, wenn wir unsere Sprache ändern, wird unser Essverhalten folgen können.

Kommentar von Jakob Biazza

Wie sollte die Wurst denn auch nicht politisch sein? Es steckt ja alles drinnen in ihr: Tier, Mord, Gesundheit, Genuss, Maßlosigkeit und Verzicht - nicht weniger als die Frage nach dem guten, dem richtigen Leben also. Wurst ist viel mehr als nur etwas, das auf einem Brot oder Grill herumliegt. Deshalb ist die Frage, was statt ihrer dort herumliegen könnte, auch mehr als eine nach dem Geschmack. Man muss sich die Wurst deshalb als zutiefst moralisches Konstrukt vorstellen, um zu verstehen, warum so heftig über sie gestritten wird. Über sie, und über ihre Ersatzprodukte.

Und man muss das vorwegschicken, weil Bundesagrarminister Christian Schmidt vor ein paar Tagen etwas eher Dummes gesagt hat, dem eher versehentlich etwas durchaus Schlaues innewohnte. Der CSU-Politiker hatte - möglicherweise, weil auch er um die politische Kraft der Wurst weiß - gesagt, dass Begriffe wie "vegane Currywurst" oder "vegetarisches Schnitzel" irreführend seien und die Verbraucher verunsicherten. Soweit der dumme Teil. Der, bei dem mit Wurst wohl Wahlkampf gemacht werden sollte. Den klugen findet man - etwas ums Eck gedacht - in einem Zusatz: Niemand, so der Minister, dürfe "bei diesen Pseudo-Fleischgerichten so tun, als ob es Fleisch wäre". Hersteller sollten eigene Namen für ihre pflanzlichen Produkte finden.

Klingt wie eine Orchideen-Diskussion? Ist es nicht

Das war freilich restriktiv und als Schmähung der Ersatzprodukte gedacht. Und könnte letztlich doch deren große Chance werden, eben das nicht mehr zu sein: Ersatzprodukte. Dann nämlich, wenn die Namenssuche nicht als die (Ehren)Rettung der Wurst verstanden wird, sondern als Zeichen dafür, dass sich die veganen und vegetarischen Produkte endlich emanzipieren. Dass sie aufhören, sich als Alternative zum "echten" Fleisch kleinzumachen. Und zwar sprachlich. Vor allem sprachlich.

Klingt wie eine Orchideen-Diskussion? Ist es nicht. Denn Sprache bedeutet in diesem Fall ja alles: Eine "BratVurst" ist nämlich sicher viel, aber eben keine Bratwurst. Ebenso, wie ein "vegetarischer Chicken-Burger" kein Chicken-Burger ist, und ein "Veggie Steak" kein Steak. Es sind eigenständige Produkte und Gerichte. Die meisten Vegetarier und Veganer - und wahrscheinlich auch einige Fleischesser - würden sogar sagen, sie sind Burger, Steak und Wurst (moralisch) überlegen. Durch die Wortwahl macht man sie aber klein. Gibt sie lediglich als Alternative zum Echten aus. Und sorgt damit dafür, dass sie sich an einer Norm, einer Ideologie vielleicht sogar, messen lassen müssen, die sie ja eigentlich überwinden sollen.

Die Sprache ist dabei deshalb so wichtig, weil sie sehr viel mehr beeinflusst, wie wir die Welt wahrnehmen und mit ihr umgehen, als viele ahnen. Nur etwa zwei Prozent des Denkens sind nämlich bewusst. Beim restlichen Denken sind laut Elisabeth Wehling, Linguistin an der University of California in Berkeley, vor allem sogenannte "Frames" wichtig, gedankliche Deutungsrahmen, die Schlussfolgerungen über eine Sache oder Situation mit sich bringen: Wer das Wort "Telefon" hört, assoziiert damit wohl etwas wie Klingeln, Tuten, Reden. Und vermutlich auch das prototypische Bild eines Apparates. Beim Wort "Chili" können wir uns schon vorstellen, wie es auf der Zunge brennt. Das kann auch zutiefst politisch werden. Wer von "Flüchtlingsströmen" hört, also von einer Wassermetapher, denkt leicht an Naturgewalten. An eine Gefahr also.

Man verkauft die Enttäuschung gleich mit

Und all das hat Auswirkungen auf das Handeln. Tests haben zum Beispiel gezeigt: Menschen, die Wörter wie Rente, senil, grau und Alterssitz lesen, gehen danach langsamer zum Aufzug. Und wer nun Wurst, Burger und Steak hört oder liest, denkt eben an Fett-Marmorierung und rosafarbene Flanken. An Grillstreifen auf Naturdarm und Hack. Er denkt an Fleisch.

Und bekommt: kein Fleisch. Wohl aber die Information, dass Fleisch die Norm sei. "BratVurst" und "Veggie-Burger" bringen schließlich qua Assoziation die ständige Referenz an das Original mit. Das war sicher ein nötiger Marketingschritt, um das Gewohnheitstier Konsument dort abzuholen, wo es unterwegs war. Um ihm zu sagen: Es gibt Alternativen.

Inzwischen macht es die veganen und vegetarischen Produkte aber nur noch immer weiter zum schalen Substrat. Und das auch noch gebündelt mit einem Versprechen, das nie gehalten werden kann. Man verkauft die Enttäuschung gleich mit. Ein vegetarischer Chicken-Burger wird eben nie ein Burger mit Hühnchenfleisch. Er wird immer etwas anderes sein - mit der richtigen Wortwahl aber im Idealfall irgendwann etwas anderes Gutes.

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