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Erich Segal ist tot:Professor "Love Story" lebte mit einem Fluch

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Mit dem Bestseller "Love Story" rührte er vor 40 Jahren weltweit Millionen Menschen - doch das Buch verfolgte den Literaturprofessor Erich Segal.

Franz Baden

Was kann man über ein gestorbenes 25-jähriges Mädchen sagen? Dass sie wunderschön war. Und brillant. Dass sie Mozart und Bach liebte. Und die Beatles . Und mich.

Mit diesen schmalzenden Sätzen beginnt sein größtes Erfolgsbuch, ein Weltbestseller, der für ihn persönlich zum Fluch wurde. Der damals 33-jährige Literaturprofessor Erich Segal fing 1970 mit seiner literarischen Fingerübung Love Story die Leser mit Romantik ein.

Auf 131 Seitchen führt der Sohn eines orthodoxen New Yorker Rabbiners dabei die Hauptfigur Oliver Barett vor, einen Harvard-Studenten aus reichem Haus, und seine Liebe zur schönen, leider unstandesgemäß armen Jenny Cavilleri, die er gegen den Willen seines Vaters heiratet. Am Schluss aber stirbt pretty Jenny an Krebs.

Der 1970 erschienene Herzschmerz-Roman wurde weltweit mehr als 20 Millionen Mal verkauft - doch richtig bekannt wurde der Klebstoff durch den gleichnamigen Film mit Ryan O'Neal und Ali MacGraw. Es gab sieben Nominierungen für einen Oscar und Kino-Ennnahmen in den USA von mehr als 100 Millionen Dollar. Autor Segal, der auch das Skript für den Filmhit geliefert hatte, gewann den Golden Globe für das beste Drehbuch.

Froh wurde der Schriftsteller mit dem Ruhm nicht. Die Studenten der renommierten Yale-Universität in New England, an der Segal vergleichende Literaturwissenschaft lehrte, gingen mit ihrem Professor hart ins Gericht. Sie pfiffen ihn als reaktionär und rückwärtsgewandt aus und warfen ihm vor, die Uni zu vernachlässigen.

Die Literaurkritiker machten sich lustig über die Liebesschnulze des Herrn Professors. "Das dümmste, zynischste, langweiligste Buch der Saison", urteilte die Frankfurter Allgemeine Zeitung, und der Spiegel scharfrichterte: "An dem Buch ist nichts interessant außer seinem Erfolg." Dabei hatte der Mann aus Yale in der Fachwelt seit seiner Studie über den Humor im alten Rom (1968) einen guten Ruf. Und zudem hatte er 1967 am Drehbuch für den Zeichentrickfilm Yellow Submarine mitgeschrieben, der die Beatles in einem gelben Unterseeboot auf Reisen gehen lässt.

Der gefallene Professor Segal

Da blieb dem armen Erich Segal nichts anderes übrig, als sich verklemmt zu verteidigen. Er habe ja selbst nicht gedacht, dass Love Story ein wichtiges Stück Literatur sei: "Ich habe nie behauptet, dass sie etwas Wertvolles ist, etwas, das Bestand hat." Offenbar entsprach die Gefühlsnummer dem Lebensgefühl der damaligen Zeit. Die politisch bewegten, aufregenden 68er waren vorbei. Es hatte Tote gegeben in den Auseinandersetzungen mit der Polizei und der Rauschgiftschrecken hatte sich in die Popszene und in die Welt der Hippies geschlichen.

Kurzum: Die Welt sehnte sich nach einer einfachen, emotionalen Liebesgeschichte.

Der gefallene Professor Segal aber geriet in eine Schaffenskrise, in ein "existenzielles Trauma", wie er selbst einmal sagte. Er musste eine Auszeit nehmen, die verdienten Millionen Dollar und die viele Häme erst einmal verarbeiten. Dann aber setzte der leidenschaftliche Marathonläufer sowohl seine wissenschaftliche wie auch seine schriftstellerische Arbeit fort. Die Qualität besserte sich, der Umsatz sank. Ein Fluch lag über "Professor Love Story".

Es folgten Romane wie Mann, Frau und Kind (1980), ...und sie wollten die Welt verändern (1986) oder Die Ärzte (1990). Sie konnten an den kommerziellen Erfolg von Love Story nicht anknüpfen. Auch die Fortsetzung der Lebensgeschichte von Love Story-Held Oliver Barett - Oliver's Story (1977) - blieb hinter den Erwartungen zurück. 1978 lieferte Segal erneut das Drehbuch für die Filmversion, in der Ryan O'Neal wieder die Hauptrolle spielte.

Seit 25 Jahren litt Erich Segal an Parkinson. Zuletzt lehrte der einstige Harvard-Absolvent am Wolfson College im englischen Oxford. Am Sonntag erlag der Mann, der einst Millionen mit Love Story rührte, in seinem Londoner Haus einem Herzinfarkt.

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