Süddeutsche Zeitung

Eric Clapton im Konzert:Harmonie als Strategie

Der 65-jährige Clapton steht wieder auf der Bühne - und löst mit seinem ehemaligen Bandkollegen Steve Winwood alte Versprechen ein.

Alexander Menden

Die LG Arena am Rande Birminghams ist wahrhaftig nicht der stimmungsvollste Ort für einen Tourauftakt. Umlagert von Messegebäuden und Autobahnauffahrten, wirkt sie eher wie eine Außenstelle der Abfertigungshalle des nahen Flughafens denn als ein Musik-Venue. Doch als die beiden älteren Herren, auf die das Publikum geduldig gewartet hat, etwas verspätet die Bühne betreten, verbreitet sich so etwas wie Clubatmosphäre in der 13000-Plätze-Arena. Eric Clapton hängt sich eine fabrikneue, himmelblaue Fender Stratocaster um und sagt kurz hallo.

Sein Mitstreiter Steve Winwood sagt erst mal gar nichts, sondern übernimmt den Gesang des ersten Songs, "Had To Cry Today". Seit die beiden Engländer vergangenes Jahr erstmals seit 40Jahren wieder zusammen auftraten, haben sie ihre Gigs immer mit dieser Nummer eröffnet. Das Eröffnungsstück des ersten und einzigen Blind Faith-Albums von 1969 ist mit seinem stampfenden Rhythmus nicht nur der perfekte Konzertbeginn. Die leicht melancholische Rückschau auf die sechziger Jahre fängt auch die Stimmung des Clapton-Winwood-Projekts ein.

Durchwachsen

Nicht dass besonders viel Trübsal geblasen würde im Laufe des gut zweistündigen Gigs. In der ersten Hälfte des Abends dominieren Up-Tempo-Songs wie das von übermäßigem Synthesizer-Ballast gereinigte "Forever Man" oder der überraschend dreckige Honky-Tonk-Blues "Low Down". Man hat jedoch das Gefühl, dass hier endlich jenes Versprechen eingelöst wird, dass die kurzlebige Band Blind Faith 1969 mit ihrem einzigen Album und einer durchwachsenen Welttournee gab.

Damals hatte die Ankündigung der Zusammenarbeit des ehemaligen Cream-Gitarristen Clapton mit dem Traffic-Sänger Winwood einen solchen Goldrausch bei der Plattenfirma Polydor und den Konzertveranstaltern ausgelöst, dass schon Auftritte gebucht waren, bevor genügend Material für ein Album existierte. Der Veröffentlichungsdruck führte zu einem faszinierenden, aber unausgereiften Ergebnis: Einerseits findet sich auf "Blind Faith" "Presence of the Lord", vielleicht der erste wirklich große Song, den Eric Clapton selbst schrieb. Andererseits gibt es Füllmaterial wie "Do What You Like" mit Ginger Bakers ewig langem Schlagzeugsolo. Blind Faith war die erste kalkulierte Supergroup. Sie zerbrach noch im Jahr ihrer Gründung an den in sie gesetzten Erwartungen.

Nonchalante Reife

Allein ein Blick auf das Albumcover beweist, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Die Veröffentlichung des Bildes von einem nackten, pubertierenden Mädchen, das ein phallisches Flugzeugmodell hält, wäre heute undenkbar. Undenkbar aber auch, dass sich der mittlerweile 65-jährige Clapton und der 61-jährige Winwood noch einmal überhastet in ein unausgereiftes Projekt wie Blind Faith drängen ließen. Von den Auftritten der uneingespielten Band damals unterscheidet sich der Auftakt zu dieser Tour, die demnächst auch nach Deutschland führt, vor allem durch die Erfahrenheit und Harmonie, die Clapton und Winwood ausstrahlen. Wie sie sich bei "Had To Cry Today" gutmütige Gitarrensolo-Duelle liefern und beim Gesang von "Presence of the Lord" abwechseln, das zeugt von nonchalanter Reife

Der Multiinstrumentalist Winwood, der aus Birmingham stammt, hat mittlerweile etwas ähnlich Gesetztes, wie es Clapton schon seit Jahrzehnten umwabert. Sein jüngstes Image als netter, pfeiferauchender Villenbesitzer aus den Cotswolds, der sonntags in der Dorfkirche Orgel spielt, entspricht seinem wahren Naturell allerdings sicher weit mehr als das des aalglatten "Back in the High Life Again"-Winwood der Achtziger.

Naive Spielfreude

Noch immer strahlt Steve Winwood eine geradezu naive Spielfreude aus, die dem überernsten Clapton oft abzugehen scheint, die sich beim gemeinsamen Auftritt aber erkennbar auf ihn überträgt. Auch das verkleinerte, exquisite Line-Up mit Willie Weeks am Bass, Robert Stainton am Keyboard und Stephen Gadd am Schlagzeug stellt im Vergleich zu Claptons jüngsten Big-Band-Exzessen eine begrüßenswerte Rückkehr zu seinen musikalischen Wurzeln dar. Wenn Winwood an der Hammond-Orgel zum Klassiker "Georgia" ansetzt, nimmt Clapton sich umstandslos zurück und wird Teil der Band.

Was den Abend angenehm von vielen starren, durchchoreographierten Bühnenshows unterscheidet, ist bei aller Routine der Eindruck des Spontanen. Soweit das in einer seelenlosen Halle wie der LG Arena möglich ist, atmet der Auftritt etwas von dem legendären Blind-Faith-Gratis-Konzert im Londoner Hyde Park, der, obwohl sich Clapton wegen der kurzen Probezeit nur ungern an ihn erinnert, fraglos einer der letzten wahren Ausläufer der Woodstock-Ära war.

Ich habe heute Halsschmerzen

Die beiden Musiker kennen einander, seit sie Teenager waren. Ihnen war die Liebe zu Blues-Idolen wie John Lee Hooker, Buddy Guy, SonnyBoy Williamson gemeinsam - und ein regelrechtes Sendungsbewusstsein, das sie antrieb, diese Musik möglichst vielen Menschen nahezubringen. Eric behandele ihn bis heute "wie eine Art jüngeren Bruder", hat Steve Winwood einmal gesagt. Diese Vertrautheit macht sich besonders während eines Sets gegen Ende des Konzerts bemerkbar, bei dem beide mit Akustikgitarren an der Rampe Platz nehmen.

Es wird viel gespielt und wenig gesprochen an diesem Abend. Einmal aber tritt Clapton ans Mikro, bedankt sich, und sagt: "Ich habe heute Halsschmerzen. Aber ich liebe es, mit Steve zusammenzuspielen. Das ist etwas, was ich mein ganzes Leben lang tun wollte." Es kommt von Herzen. Nach der Auflösung von Blind Faith war etwas unvollendet geblieben. Nun findet die gemeinsame Geschichte der lange getrennt marschierenden Weggefährten Eric Clapton und Steve Winwood wenn keinen Abschluss, so doch eine rundum befriedigende Fortsetzung.

28.5. Düsseldorf, 2.6. Berlin, 3.6. Hamburg, 5.6. München, 7.6. Wien

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SZ vom 20.05.2010/nvm/rus
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