Süddeutsche Zeitung

"Er ist wieder da" im Kino:Blitzgereinigt, aber orientierungslos

David Wnendt hat Timur Vermes' "Er ist wieder da" verfilmt. Der Film soll wachrütteln - das ist so ehrenwert wie aussichtslos.

Von David Denk

Da ist er also wieder. Schlurft benommen durch Berlin-Mitte. Lässt sich fast von einer Touristengruppe auf ihren Segway-Rollern über den Haufen fahren. Wird am Brandenburger Tor belagert, muss Autogramme geben und für Fotos posieren. Das ist ganz schön viel auf einmal für jemanden, der 70 Jahre lang von der Bildfläche verschwunden war, bis er eines Tages mit Kopfschmerzen, aber unversehrt in einem Berliner Hinterhof erwacht.

Die Exposition von "Er ist wieder da", dem Mega-Bestseller von Timur Vermes, den David Wnendt ("Kriegerin", "Feuchtgebiete") nun in der Hoffnung, diesen Erfolg zu wiederholen, verfilmt hat, ist als Gedankenspiel so verstörend wie reizvoll: Was wäre, wenn Hitler zurückkäme? Wie würden die Menschen auf ihn reagieren? Haben sie aus der Geschichte gelernt? Und wie würde er selbst sich verhalten? Würde er seinen irren Kampf fortsetzen - und wenn ja, wie?

Hitler kann im Film nicht anders, als seine Wiederauferstehung als "Vorsehung" zu begreifen, und beschließt, da weiterzumachen, wo er 1945 unterbrochen wurde. Mit Hilfe des erfolglosen TV-Journalisten Fabian Sawatzki (Fabian Busch) gewinnt er seinen wichtigsten Verbündeten im Kampf um die Köpfe: das Privatfernsehen.

Sowohl der frustrierte Sender-Manager Christoph Sensenbrink (Christoph Maria Herbst, die meisten Figuren tragen die Vornamen ihrer Darsteller) als auch dessen divenhafte Vorgesetzte Katja Bellini (Katja Riemann) schmücken sich mit Hitler, den sie für einen politisch unkorrekten Komiker halten, und machen ihn zum Sidekick in einer schlimmen Comedyshow - ohne zu ahnen, dass das einem wie Hitler natürlich nicht reichen kann.

Der Regisseur lässt seinen Hitler auf Deutschland los

Wnendt, der gemeinsam mit Mizzi Meyer, Autorin der NDR-Serie "Der Tatortreiniger", auch das Drehbuch geschrieben hat, löst sich jedoch von der Romanvorlage, indem er seinen Film um dokumentarische Szenen ergänzt, entstanden auf einer vierwöchigen Rundreise durch die Republik.

Er lässt seinen Hitler (Burg-Schauspieler Oliver Masucci) auf Deutschland los - oder eher Deutschland auf seinen Hitler. Es ist schon befremdlich zu sehen, wie wenig Masucci tun muss, damit die Menschen ihm ihr Herz ausschütten.

Manchmal muss er Fragen stellen, manchmal reicht es aber auch, den Kopf zu senken - Masucci ist mit 1,88 Metern und seiner bulligen Gestalt eigentlich viel zu wuchtig für die Rolle -, zu nicken und einfach nur zuzuhören. Ein Plausch mit Onkel Adi scheint Schleusen zu öffnen, zu befreien. Alles muss raus.

Da erzählt die Dame in der Currywurstbude freimütig, dass sie "aus Prinzip" nicht wählen gehe, sei sowieso alles manipuliert, und der Herr im Sylter Fischrestaurant fordert "Arbeitslager" für Ausländer. Und Masucci-Hitler? Steht daneben und verurteilt scheinbar nichts und niemanden.

Andererseits: Wirklich überraschend ist es nicht, dass es fremdenfeindliche Deutsche gibt und solche, die sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen. Man könnte es einfach Pech nennen, dass Pegida dem Film zuvorgekommen ist; so riesengroß, wie der Film suggeriert, war das Tabu, das man mit diesen Sequenzen zu brechen glaubt, allerdings auch vor den Demos von Dresden und den Krawallen von Freital nicht.

Es ist von unfreiwilliger Ironie, dass ein Film, der "Er ist wieder da" heißt, so tut, als leiste er Pionierarbeit in der (humoristischen) Verwurstung von NS-Zeit, Nazi-Verbrechen und deutscher Schuld.

Dabei sind die Pfade, auf denen der Film wandelt, dermaßen ausgelatscht, dass seine Endlich-sagt's-mal-einer-Attitüde schlichtweg lachhaft wirkt. Mehr als 120 bisherige Hitler-Darsteller sind in der Internet Movie Data Base verzeichnet, beginnend mit Charlie Chaplin. "Der große Diktator" von 1940 ist längst ein Klassiker, und die Frage, ob man über Hitler lachen darf, sollte eigentlich hinlänglich beantwortet sein.

Scheu vor klarer Positionierung

Was soll das? - Diese sich mit jeder erzählerischen Volte zunehmend dringlicher stellende Frage ist das Einzige, woran der Zuschauer sich festhalten kann, denn der Film gefällt sich in seiner postmodernen Un(an)greifbarkeit - dokumentarisch oder inszeniert? Witz oder Ernst? Film oder Film im Film? -, die sich doch nur aus Scheu vor einer klaren Positionierung speist.

In einem merkwürdigen sadomasochistischen Wechselspiel macht er Hitler-Klamauk, für den er durch Konfrontation mit real existierenden Neonazis sogleich Buße tut.

Auch versäumt er nicht, darauf hinzuweisen, dass es neben den Rechten hierzulande, über deren Kümmerlichkeit sich Hitler mokiert - er macht sich überhaupt viel über die Deutschen von heute lustig - in Marine Le Pen und Geert Wilders gefährlichere Wiedergänger in den Nachbarländern gibt. Soll bloß keiner sagen können, Wnendt hätte die Gefahr heruntergespielt.

So überzeichnet die Vorgänge hinter den Kulissen des fiktiven Privatsenders sind, auf die Spitze getrieben in einer Endzeitszene im Chefbüro, die sehr an "Der Untergang" erinnert, so sehr bemüht sich der Film andererseits um Beglaubigung der Fiktion - oder vielmehr eine Auflösung derselben - durch Gastauftritte von Youtubern, die den viralen Hitler bestaunen, aber auch von Fernsehpromis wie Joko & Klaas und Frank Plasberg, in deren Sendungen Masucci-Hitler zu Gast ist.

Während die Moderatoren sich gewissermaßen selbst imitieren, zu Karikaturen werden, agiert Hitler unverstellt, selbstgewiss. Wüsste man nicht, wozu er fähig ist, könnte man ihn glatt für einen coolen Typen halten. Hitler kommt so gut weg, dass es die didaktische Intention des Films torpediert.

"Wachrütteln" wolle er, sagt Produzent Christoph Müller, "vor allem jene, die politikverdrossen sind oder die deutsche Vergangenheit ruhen lassen wollen". Ein Vorhaben, so ehrenwert wie aussichtslos, denn wer politikverdrossen ist, guckt sich wohl kaum einen Film über einen Politiker an - auch wenn der Hitler heißt.

Und wer rechtem Gedankengut anhängt, wird sich nicht durch eine Klamotte, in der Hitler ohne Unterhose in einer Blitz(!)reinigung steht, bekehren lassen. Es bleibt der Eindruck: Der Film weiß nicht recht, was er will - und für wen.

Während Fabian Sawatzki, der Hitler als Hitler enttarnt, in der Gummizelle landet, gibt's für die andere Hauptfigur ein Happy End: Es sieht ganz so aus, als habe Adolf Hitler seine neue Eva Braun gefunden. Und ganz Berlin steht Spalier.

Er ist wieder da, D 2015 - Regie: David Wnendt. Buch: Mizzi Meyer, David Wnendt, nach der Vorlage von Timur Vermes. Kamera: Hanno Lentz. Mit: Oliver Masucci, Fabian Busch, Katja Riemann, Christoph Maria Herbst. Constantin, 100 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2015/pak
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