Ephraim Kishon:Das angeschrägte Schlitzohr

Ephraim Kishon, der nach eigenem Bekunden höchst ungern schrieb, aber neben der Gesundheit den Reichtum über alles schätzte, hat Millionen Menschen Freude bereitet. Jetzt ist der komische Misanthrop gestorben.

Kristina Maidt-Zinke

Nun waren sie doch nicht lange getrennt, die "beste Ehefrau von allen" und der Deutschen wahrscheinlich liebster Humorist. Vor drei Jahren, als Ephraim Kishons Gattin Sara ihrem Krebsleiden erlegen war, hatte der erfolgreiche, ewig schlechtgelaunte Schriftsteller zu Protokoll gegeben, er werde "mit aller Entschiedenheit und mit Ehre" den Zeitpunkt seines Todes selbst bestimmen, sollte er eines Tages merken, dass er anderen zur Last fiele.

So weit ist es nicht gekommen. Kishon, der vor wenigen Monaten die feuilletonistischen Verneigungen und Verrenkungen anlässlich seines achtzigsten Geburtstags noch bei guter Gesundheit entgegennehmen konnte, ist in seinem Schweizer Domizil an einem Herzinfarkt gestorben. Und so hat sich dann wohl erfüllt, was Frau Kishon kurz vor ihrem Tod auf einen Zettel schrieb: "Ephi, Du solltest keinerlei Hoffnung haben. Ich verlasse dich nie, Sara."

Wenn Jubiläum und Ableben so dicht aufeinander folgen, sind Wiederholungen kaum zu vermeiden. Noch einmal gilt es also, sich die literarische Lebensleistung des Mannes zu vergegenwärtigen, der eigentlich Ferenc Hoffmann hieß, 1924 als Sohn eines Bankdirektors in Budapest geboren wurde, Kunstgeschichte und Bildhauerei studierte, im Holocaust mehrere Angehörige verlor, dem Vernichtungswahn der Nazis selbst nur mit knapper Not entkam und 1949 aus Ungarn nach Israel floh, wo er in einem Kibbuz den Neuanfang als Schriftsteller wagte - in hebräischer Sprache.

Seine Glossen in der Tageszeitung Ma'ariv wurden schnell berühmt, weil sein satirischer Blick auf den Kibbuz-Alltag die Absurditäten menschlichen Zusammenlebens in einer Form reflektierte, die sie weltweit wiedererkennbar machte. Daraus entwickelte sich eine veritable Massenproduktion von Romanen, Kurzgeschichten und Bühnenstücken, deren Auflagenhöhe international zuletzt mit 43 Millionen angegeben wurde.

Den Löwenanteil seines Erfolgs erntete Kishon bekanntermaßen in Deutschland (West), wo vom Beginn der sechziger Jahre an kaum ein bürgerliches Bücherregal ohne Titel wie "Dreh'n Sie sich um, Frau Lot", "Arche Noah, Touristenklasse", "Der seekranke Walfisch" oder "Der Fuchs im Hühnerstall" zu finden war. Über die Hintergründe dieser enthusiastischen Rezeption ist viel spekuliert worden: Neben der Übersetzungskunst des Wieners Friedrich Torberg, die gewiss am Unterhaltungswert der Werke maßgeblichen Anteil hatte, waren es vor allem nachkriegsdeutsche Schuldgefühle, aus denen Literaturkritiker die auffällige Sympathie für den "Vorzeigejuden" Kishon herleiten wollten.

Das angeschrägte Schlitzohr

Wahrscheinlicher ist, dass der Humor-Ton des israelischen Patrioten, der sich später in seinen politischen Äußerungen oft als ziemlicher Hardliner erwies, schlicht dem entsprach, was ein breites Publikum nach nationaler Katastrophe und Wirtschaftswundermühen zur Entspannung und Entlastung brauchte: Den Mittelweg zwischen "Allerweltsplattheiten" (Robert Gernhardt) und leicht angeschrägter Schlitzohrigkeit hat Ephraim Kishon nie verlassen, und wo er Ansätze zu Verschärftem zeigte, wie etwa in der Satire "Der Blaumilchkanal", wendete er seine ganze Eloquenz auf, um sie wieder flachzubügeln.

Mit Appellen an populäre Ressentiments und "gesunden Menschenverstand" tat er ein übriges, um dem stets nur bedingt lachwilligen deutschen Leser zu gefallen, und das nicht nur auf literarischem Gebiet: In den letzten Jahren machte er wiederholt mit Ein- und Auslassungen über die "Scharlatanerie" des modernen Kunstbetriebs auf sich aufmerksam, und auch da konnte man sich, wie zuweilen bei der Lektüre seiner Bücher, des Eindrucks nicht erwehren, dass er, der notorische Misanthrop, mit Fleiß unter seinem intellektuellen Niveau argumentierte.

Irgendwo in seinen Plaudereien findet sich immerhin die Bemerkung, noch die trockensten Stellen in Kafkas Romanen seien "humorvoller als eine ganze Serie von Witzen": Wer zu dieser Einsicht fähig ist, kann im Grunde die Art von Prosa, die sich zu immer neuen Samplern unter dem Motto "Kishon für alle Gelegenheiten" zusammenstellen lässt, lediglich aus gesundem Geschäftssinn abgesondert haben.

Nur Gutes über die Toten: Ephraim Kishon, der nach eigenem Bekunden höchst ungern schrieb, aber neben der Gesundheit den Reichtum über alles schätzte, hat Millionen Menschen viel Freude bereitet. Will man freilich hierzulande und heutzutage, zum Beispiel für einen Nachruf, rasch einen Blick in eines seiner Werke werfen, stellt sich nicht selten heraus, dass die Bücher in den Haushalten der Post-Nachkriegsgeneration irgendwie, irgendwann den Weg alles Irdischen gegangen sind. Hat sich das Humorverständnis der Deutschen vielleicht doch grundlegend verändert? Nach zahlreichen Ehrungen hat Ephraim Kishon 2002 den israelischen Staatspreis erhalten. Mit dem Nobelpreis aber, den er so gern gehabt hätte, ist es nun leider nichts mehr geworden.

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