Zur Unzeit kommt diese Veröffentlichung nun wirklich nicht, auch wenn das Ereignis, auf das sie sich bezieht, inzwischen 77 Jahre her ist. 1938 nämlich wurde im Düsseldorfer Kunstpalast die Ausstellung "Entartete Musik" eröffnet, mit der die Nationalsozialisten die Hetzjagd auf unliebsame Komponisten rechtfertigen wollten.
Gnadenlos verfolgt wurde, was jüdisch, kommunistisch oder "undeutsch" war
Vor zwei Jahren, anlässlich des 75. Jahrestags, hat das Orchester der Düsseldorfer Robert-Schumann-Musikhochschule auf Initiative des Prorektors Thomas Leander zusammen mit den Toten Hosen ein Gedenkkonzert mit Werken verfolgter Musiker veranstaltet. Jetzt erst, zwei Jahre später, kommt dieses Konzert auf den Markt, in Form zweier CDs und einer DVD sowie als Non-Profit-Projekt zugunsten der Stipendiaten und des Orchesters der Musikhochschule.
Die zweieinhalb Stunden sind ein beeindruckender Querschnitt durch die Musikgeschichte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Denn was den Nazis als "entartet" galt, ließ sich nicht einmal durch irgendwie greifbare, ästhetische Kategorien begründen. Die treffen am ehesten noch auf den Jazz zu, auf die verhasste "Negermusik". Ansonsten aber wurde gnadenlos verfolgt, was jüdisch, kommunistisch oder auf andere Weise "undeutsch" war.
Kaum etwas von ihrer Aktualität verloren
Auf den CDs hört man zum Beispiel ebenso "Komm, Zigány" aus Emmerich Kálmáns "Gräfin Mariza" wie Filmmusik zum "Herrn der Sieben Meere" von Erich Wolfgang Korngold, das der nicht mehr in seine Heimat zurückkehrende Wiener Jude 1940 in Hollywood schrieb, einen Song der Comedian Harmonists oder Arnold Schönbergs Zwölfton-Melodram "A Survivor from Warsaw". Es finden sich Kurt Weills Moritaten aus der Dreigroschenoper und ergreifende Zeugnisse von Musik aus den KZs und Vernichtungslagern, wie den Kinderchor "Ihr müsst auf Freundschaft baun" aus der in Theresienstadt weiterentwickelten Kinderoper "Brundibár" des tschechoslowakischen Komponisten Hans Krása oder das Lied von den "Moorsoldaten" aus dem KZ Börgermoor.
Beklommen macht auch die Erkenntnis, dass die wenigen Stücke der Toten Hosen auf dem Album, wie das 20 Jahre alte "Willkommen in Deutschland", entstanden unter dem Eindruck brennender Flüchtlingsheime, kaum etwas von ihrer Aktualität verloren haben.