Endzeit-Verschwörungstheorien:Ich gehe unter, gehst du mit?

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Endzeitliche Evidenz: Wie Sonys Internet-Kampagne zum Film "2012" Verschwörungstheorien anheizt - und die Nasa in Wut versetzt.

Alex Rühle

Entschuldigen Sie, bitte sagen Sie das Folgende nicht weiter, es sollte vorerst unter uns bleiben. Massenpanik ist das Letzte, was wir jetzt brauchen: Es gibt da diesen Planeten namens Niburu, der jahrtausendelang an der Peripherie unseres Sonnensystems seine Kreise zog. Mittlerweile bewegt er sich leider auf die Erde zu, so dass es 2012 zum großen Knall kommt. Dass Sie noch nie davon gehört haben, beweist nur, dass das "Institute for Human Continuity" bislang meisterhaft dichtgehalten hat. 30 Jahre lang haben die Wissenschaftler dieses geheimen Forschungsinstituts Daten ausgewertet, jetzt wollen sie an die Öffentlichkeit gehen und Überlebenstickets verlosen, für einige wenige, es soll Archen geben, mehr können wir nicht verraten . . .

"Wir waren gewarnt": Roland Emmerichs Endzeit-Film "2012" kommt heute in die Kinos. (Foto: Foto: Filmverleih)

Die Seite www.instituteforhumancontinuity.org sieht einer wissenschaftlich seriösen Seite derart ähnlich, dass mehr als tausend Leute, die sich dorthin verirrten, danach die Nasa anmailten: Ob es denn stimme, dass sie die Kollision mit dem unbekannten Planeten geheimhalte. Als einige gar mit Selbstmord drohten, sah sich die Weltraumbehörde genötigt, ein Dementi zu veröffentlichen und Sony Entertainment scharf anzugreifen - für einen viralen Marketingcoup.

Sony hat das obskure Forschungsinstitut genauso erfunden wie die Website Corruptiontheory.org, die Geheimdetails über die zu bauenden Archen enthält, und Thisistheend.com, die Seite des heiteren Endzeitzausels Charlie Frost, der youtube-kompatible Vorträge über Supervulkane, Aliens und die Apokalypse hält.

Alle drei Seiten sollen dazu dienen, Roland Emmerichs neues Weltuntergangsspektakel "2012" zu bewerben, das heute in die Kinos kommt. Das Raffinierte daran: Der Film selbst wird auf den Seiten nie erwähnt. Es wird nur in guter Paranoia-Tradition ein möglichst dichtes Gewebe endzeitlicher Evidenz gesponnen. Die Seiten verweisen wechselweise aufeinander, so dass, wie in den meisten verschwörungstheoretischen Systemen, ein riesiges selbstreferentielles Netz entsteht.

Sony ging aber noch weiter: Für die Bewerbung des neuen Blockbusters wurden nicht nur die eigenen drei Seiten lanciert, die Filmfirma suchte auch gezielt die Nähe zu bereits existierenden, hochparanoiden Webauftritten: Als der erste Trailer in die Kinos kam, der nur eine allesvernichtende Welle zeigte, die über die Gipfel des Himalaya brandet, wurde danach nicht etwa eingeblendet, man solle im Internet nach "2012 the Movie" oder "Sony 2012" suchen, sondern nur "2012". Würde man präziser googeln, käme man bei Emmerich heraus, so aber landet man in den obskursten Zirkeln: etwa bei Blair Gorman, seines Zeichens Master of Numerology, der behauptet, alles sei zu Ende am 13. August 2012 um 11 Uhr 11; beim Survival Warehouse, das für apokalyptische Zeiten Dosennahrung für ein Jahr bietet; oder bei der "University of Metaphysical Sciences", die anhand der Offenbarung des Johannes und des Maya-Kalenders berechnet hat, dass 2012 die magnetischen Pole kippen werden und auch sonst für das Jahr so ziemlich alles auf Untergang deutet.

So gibt man dem paranoiden Affen Zucker und Emmerichs Film eine ganz andere Relevanz: Indem die potentiellen Zuschauer auf all diese Endzeitseiten verwiesen werden, wird subkutan der Verdacht genährt, dass das Actionspektakel einen wahren Kern beinhalte. Die diversen Apokalyptiker können sich die Hände reiben: Dank der Sony-Kampagne verdoppeln und verdreifachen sich die Besuchszahlen ihrer Seiten.

Die seltsame Emphase aber, mit der dort der Weltuntergang herbeigeredet wird, erinnert an das, was die Psychotherapeutin Catherine Gildiner nach dem 11. September schrieb: "Das verschwörungstheoretische Denken, das so rapide um sich greift, ist eine kollektive Form der posttraumatischen Belastungsstörung. Unser Gehirn bereitet uns damit auf den nächsten Angriff vor. In psychiatrischer Terminologie wird das Hyperwachsamkeit genannt." Ob es auch so etwas wie eine prätraumatische Belastungsstörung gibt? Eigentlich wissen ja jetzt schon alle, dass wir - auch ohne dazuerfundene Planetenkollisionen - allein dank CO2-Zunahme auf dramatische Zeiten zusteuern.

© SZ vom 12.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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