Empörung über Amazons Offensive:Preisvergleich als Angriff auf Verlage und Buchhandel

Mit einer kostenlosen App will der Internetriese Amazon in den USA endgültig die Preise diktieren und Konkurrenten aus dem Feld schlagen. Schriftsteller, Verlage und Buchhandel reagieren empört: Amazon lasse den Einzelhandel sterben und werde dadurch auch die Städte veröden lassen.

Franka Nagel

Smartphone-Apps, die der Kunde nutzen kann, um das Internet nach dem billigsten Angebot zu durchforsten, gibt es schon länger. Der potentielle Käufer geht in ein Geschäft und sucht sich ein Produkt aus. Doch anstatt es zu kaufen, scannt er dessen Barcode. Mit einem Fingerdruck erhält er einen weltweiten Preisabgleich. Am vergangenen Samstag trieb der Internetverkäufer Amazon dieses Angebot in den USA auf die Spitze: Die kostenlose App "Price Check by Amazon" leitete den Nutzer nicht nur zu den entsprechenden Amazon-Angeboten (und der praktischen 1-Click-Bestellfunktion). Der Interessent bekam auch fünf Prozent Rabatt, wenn er das Produkt sofort bei Amazon kaufte. Aber noch eine andere Service-Funktion hat die App: Amazon erhält nebenbei und gratis Informationen über den Markt.

Bücher zu Weihnachten

Der Buchhandel (hier eine Buchhandlung in Stralsund) ist unter Druck. Mit einer Initiative in den USA versucht der Internetriese Amazon, noch mehr Teile des Einzelhandels an sich zu ziehen.

(Foto: dpa)

Schriftsteller, Verlage und Buchhandel reagierten empört auf dieses vorweihnachtliche Sonderangebot. Oren Teicher, der Leiter der Vereinigung des Amerikanischen Buchhandels, bezeichnete die Aktion in einem offenen Brief als "einen der vielen Vorstöße Amazons, die dazu dienen, die Marktstellung auf Kosten der Städte auszubauen und diese, da der Einzelhandel wegstirbt, ihres einzigartigen urbanen Charakters zu berauben".

In der Tat ist der jüngste Coup des Großkonzerns nur einer der vielen Schachzüge in dessen aggressiver Vertriebspolitik. Besonders mit Dumpingpreisen fiel Amazon in den vergangenen Jahren auf. Für ein Drittel des ladenüblichen Preises verkauft das Unternehmen in den USA aktuelle Bestseller - ohne Rücksprache mit den Verlagen, versteht sich.

Die Dumpingpreise liegen dabei sogar oft unter den Einkaufspreisen. Die Verluste nimmt der Konzern in Kauf, um Besucher in seinen Onlinestore zu locken. Der aufmerksame Beobachter kann nun Unterbietungsschlachten im Internet beobachten. Senken andere Großverkäufer wie Wal-Mart und Target den Preis, unterbietet Amazon, und sei es nur um einige Cent. Unter Umständen werden so die Preise eines ganzen Marktes verdorben.

Dank Buchpreisbindung bleiben die Buchhändler in Deutschland von derartigen Ramschverkäufen verschont. Gewichtig für den deutschen Einzelhandel ist Amazons Unterbietungspolitik indessen bei Kulturprodukten ohne Preisbindung. Bei CDs zum Beispiel. Diese werden oft international vertrieben. Ladengeschäfte treten also nicht nur gegen "amazon.de" an, sondern gegen das weltweite Amazon-Imperium.

Gerade der britische Ableger kann besonders billig anbieten. Denn er residiert offiziell auf einer Insel im Ärmelkanal und profitiert von den dort niedrigen Steuern. Auch die Labels sind von diesen Billigangeboten betroffen. Gegen deren Willen werden Qualitäts-Produktionen verhökert. Low-Budget-Preise können rufschädigend für künstlerisch anspruchsvolle Labels sein.

Erfreulich mutet dagegen die aktuelle Nachricht an, dass der Buchhandel vor dem dritten Advent 2,4 Prozent mehr Umsatz verzeichnen konnte als im letzten Jahr. Doch auch das Geschäft von Amazon wird momentan nicht schlecht laufen. Im vergangenen Jahr um diese Zeit hatte Amazon in Deutschland den verkaufsstärksten Tag des Jahres, mit über 2,1 Millionen Bestellungen innerhalb von 24 Stunden.

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